Kriegserinnerungen eines unbekannten Soldaten vom August 1914 bis 6. September 1916 (Hannoversches Jägerbataillon Nr. 10)

Die Kriegserinnerungen des unbekannten Soldaten beginnen mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs in Antwerpen. Hier lebte der namentlich nicht bekannte Soldat vor Beginn des Ersten Weltkrieges, ohne dass wir erfahren, was er dort gemacht hat und wer alles zu seiner dort lebenden Familie gehörte. Über seine Familie sind in den Kriegserinnerungen keine weiteren Informationen zu finden.

Von Antwerpen ging es zunächst nach Neumünster. Zwar hoffe er auf einen baldigen Kriegseinsatz als Soldat, allerdings musste aber aus unbekannten Gründen zunächst über ein Jahr hinter der Front arbeiten. Vom 4. September 1915 bis zum 28. November 1915 arbeitete er dann im Reserve Lazarett I „Weißes Roß“ – Braunschweig, nachdem er eine dreiwöchige Ausbildung absolviert hatte. Vom 28. April 1915 bis zum 26. April 1916 arbeitete er im städtischen Krankenhaus. Am 26. April 1916 beginnt dann seine infanteristische Ausbildung bei dem 1. Bataillon des Reserve Regiments 78. Später trat er dem Hannoverschen Jägerbataillon Nr. 10 in Clausthal bei. Am 17. Juli 1916 fuhr er in einem Zug Richtung Frankreich zur Front. Am Mittag des darauffolgenden Tages kommt er in Spincourt an. Am 19. Juli wurde er der 3. Kompanie des Hannoverschen Jägerbataillons Nr. 10 zugeteilt. Am 20. Juli ging es dann nach Villers le Rond. Aufgrund dessen, dass das Lager in Villers le Rond überfüllt war, folgte am 25. Juli die Verlegung nach Petit Failly. Hier blieb der Soldat bis zum 3. August stationiert. Dann ging es zur Front nach Verdun. Zunächst ist er in der Nähe von Fort Douaumont beim Steilhang, dem Dorf Fleury und der Fosses-Schlucht eingesetzt. Am 12. August verlässt der Soldat den Kriegsschauplatz Verdun und wird zusammen mit dem Bataillon in den Argonnerwald verlegt. Das Kriegstagebuch endet am 6. September 1916. Sein Kriegseinsatz ging allerdings noch weiter, wie eine den Kriegserinnerungen beiliegende Seite mit der Überschrift „Meine Wanderung durch die Truppenteile“ zeigt.

Leider ist es bisher nicht gelungen, alle vom Soldaten verwendeten Geländebezeichnungen zu entziffern und zu identifizieren! Einzelne Worte der Kriegserinnerungen konnten bisher auch nicht entziffert werden.

Erste Seite der Kriegserinnerungen des unbekannten Soldaten

Meine Wanderung durch die Truppenteile

04. September 1915 1. Rekruten-Depot 1. Ers. Batl. I.R.92

24. September 1915 Res. Lazarett I Braunschweig

26. April 1916 Ers. Batl. Inft. Reg 78 (Braunschweig)

13. Juli 1916 II. Ers. Batl. Jäger Batl. Nr.10[,] 2. Kompagnie

17. Juli 1916 Feld Rekr. Depot Alpenkorps

19. Juli 1916 3. Komp. Hann. Jäger-Batl. 10, Feld-Batl.

  1. Juli – 11. August 16 Schlacht bei Verdun

15. Aug.-6. Sept. 16 Argonnen

23. Sept.-7. Okt. 16 Rumänien

  1. Oktober [16] verwundet am Roten Turmpaß auf Bilcinlui östl. Veresteroug

08. Oktober 16 Res. Laz. 58 A Hermannstadt

16. Oktober 16 Res. Laz. B München

30. Oktober 16 Res. Laz. Braunschweig

25. Januar 17 Vereinslaz. Herzgl. Krankenhaus Braunschweig

27. April 1917 2. Jäger Erd. Batl. 10 Clausthal

1. Mai 1917 4. Komp. 2. Jäger Ers. Batl. 10 (Osterode)

9. Juni 1917 4. Komp. IV. Landst. Infa. Ers. Batl. Braunschweig (X 20) Vördener Moor

30. Juni 1917 5. Ers. Eskadron Train Ers. Abt. 10

2?. September 1917       1. Ers. Eskadron Ostpreuß. Ers. Abt. 1

1. November 1917 Et. Fuhrpark Kol. 457, Et. Infg. 8

20. Juni 1918 – 21. Dezember 1918 Gouvernement Riga

20. Juni 1918 4. Landst. Inf. Batl. Posen (V 4)

18. Oktober 1918 2. Landst. Inf. Batl. Cüstrin III/5[,] 3. Komp.

14. Dezember 1918 Gouv. Riga

16. Dezember 1918 Rgt. Pr. Wirtschafts-Komp. 248 (Pillau)

21. Dezember 1918 Braunschweig

Kriegserinnerungen eines unbekannten Soldaten des Hannoverschen Jägerbataillons Nr. 10 (August 1914 - 6. September 1916)

Erinnerungen aus der großen Zeit

Gesehenes und Erlebtes

Wie in den ersten Tagen des August die Nachricht von dem Kriegsausbruch nach Antwerpen kam[,] hieß es für mich, die Familie zu verlassen und dem Rufe des Vaterlandes zu folgen. Leicht war der Abschied von Frau und Kind nicht. Das eiserne „Muß“ half aber auch hier den Abschied erleichtern. Wer wollte denn auch in den großen Tagen zurückstehen. Wir sahen zu der Zeit Tage, wie sie Deutschland wohl noch nicht erlebte und auch wohl kaum jemals wieder haben wird. Hoch gingen die Wogen der Begeisterung[,] wie wir am Sonntag, 2. August 1914 auf dem Bahnsteig des Zentralbahnhofs standen. Wohin das Ohr lauschte überall deutsche Leute. Was irgend konnte[,] wer finanziell um den Scheidenden bis dahin das Geleit zu geben. 1700 Männer, junge und alte stiegen in den wartenden Zug, um ihre Kräfte in den Dienste des Vaterlandes zu stellen. In dem Augenblick, daß der Zug abfuhr, wurde vorne bei der Lokomotive die deutsche Fahne gehißt. Ein donnerndes Hurra und unter dem Gesange: [„]Es braust ein Ruf wie Donnerhall“ verließ der lange und auch zu gleicher Zeit der letzte Zug die Bahnhofshalle. Nach der langen, fortwährend unterbrochenen Fahrt durch Belgien kamen wir endlich um 1 ½ Uhr in Rheydt an. Hier wollten wir uns bei dem Bezirkskommando stellen. Nachdem wir dort die Erlaubnis zur Weiterfahrt erhielten, setzte ich gegen 4 ½ h meine Fahrt fort. Über Elberfeld, Hannover, Hamburg kam ich in Neumünster an. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein standen die Leute in Scharen an großen und kleinen Haltestellen. Sie alle wollten ihre Vaterlandsverteidiger begrüßen.

Meine Hoffnung, in den nächsten eingezogen zu werden, wurde zu nichte. Ich habe im Gegenteil noch viel, viel Zeit gehabt[,] bevor ich den bunten Rock anbekam. Während dieser Zeit hieß es eben hinter der Front arbeiten. Endlich am 4. September 1915 hatte für mich noch die Stunde geschlagen. Nach dreiwöchentlicher Ausbildung hieß es Dienst im Lazarett zu verrichten. Bis zum 28. November 1915 pflegte ich die Verwundeten im Reserve Lazarett I „Weißes Roß“ – Braunschweig. Danach folgte ich einem Rufe ins „Städtische Krankenhaus“, fast ½ Jahr habe ich in dieser Anstalt der unruhigen Abteilung vorgestanden. So lieb ich die Arbeit auch gewonnen hatte, sie mußte aufgegeben werden. Im Oktober war ich schon felddienstfähig geschrieben worden – am 26. April 1916 erfolgte die Ablösung. Und nun begann die infanteristische Ausbildung bei dem Ers. Batl. des Res. Reg. 78 in Braunschweig.

Eines guten Tages wurden Mannschaften für das Jägerbatl. Clausthal ausgesucht. Ich war dazwischen. In der Meinung, dort noch eine weitere Ausbildung zu erfahren, fuhren wir 12 an der Zahl frohen Mutes in den Harz. Wie wurden wir aber enttäuscht. Es wurde nur ein Transport für das Feld zusammengestellt. Am Donnerstag kamen wir an, Freitag, Sonnabend und Sonntag Einkleidung. Und am 17. Juli am darauffolgenden Montage saßen wir schon im Zuge. Unter strömendem Regen war die Verladung vor sich gegangen. Im Sonnenschein verließen wir das kleine Harzstädtchen. Ist´s eine gute Vorbedeutung?

Wie ganz anders als vor gut zwei Jahren damals die alles einreißende Begeisterung. Und heute – gewiß wir wurden überall begrüßt, fuhren wir doch in Feindesland, damit unsere Grenzen bewehrt blieben.

Wo war aber die erste Liebestätigkeit geblieben. Damals wurden die Reservisten und f.w.[,] die zur Fahne eilten förmlich mit allen möglichen guten Gaben überschüttet. Heute gab es nur auf den Verpflegungsstationen die nötigsten Mahlzeiten. Satt sind wir aber dennoch überall geworden – Mangel hat keiner gehabt. Göttingen, Marburg und Limburg durchfuhren wir am ersten Tage. Dort ertönte der Ruf: Kartoffelsupp.

Morgens am 18. Juli nahmen wir den Kaffee in Trier ein.

Noch waren wir im Ungewissen, wohin die Reise gehen sollte. Als wir uns nach wenigen Stunden auf französischem Boden befanden, unterlag er keinem Zweifel mehr: Es geht nach dem gefürchteten Verdun.

Um die Mittagszeit werden wir in Spincourt ausgeladen. In Feindesland, welch eigentümliches Gefühl. Jetzt wird es ernst. Und manch einer, der früher über das Garnisonsleben gescholten hatte, sagt nun – Wär ich doch dahin – Gar eindringlich ertönt das Brummen der Kanonen. Jetzt heißt es noch schnell das Fehlende empfangen und dann ertönt der Befehl: Fertigmachen, umhängen, – Gewehr… – in – die Hand, . umhängen, – ohne Tritt marsch. Und nun begann ein beschwerlicher Marsch. Ich hatte bis dahin mit meiner 8 wöchentlichen Ausbildung noch niemals einen feldmarschmäßigen Dachs auf dem Rücken gehabt. Wie oft wurde pausiert. Trotzdem bauten viele ab – ältere Mannschaften, die des öfteren schon in ähnlicher Weise losmarschiert waren. Leicht was ja fürwahr nicht. Der Regen hatte die Straßen, die durch die vielen Autos schon zerfahren waren, bis zur Grundlosigkeit aufgeweicht. Tags, Tags ging es durch diesen fürchterlichen Matsch. Nein, ich kann nicht mehr, die anderen drohen im Kopfe zu platzen. Wird denn nicht endlich einmal Halt gemacht. Aber immer weiter geht es. Die Maschine scheuert weiter. Es ist nur noch ein Hinschleppen. Endlich – Halt – Im nu liegt alles; was kümmert uns der Schmutz – wir können uns ausruhen. Lange dauert die Pause nicht. Bald ist alles wieder in Bewegung. Und wie schnell drückt der fürchterliche Affe wieder. Der Koppelriemen scheuert die Hüften wund – aber weiter nur weiter. Immer kürzer werden die Marschleistungen, immer länger die Pausen. Zur Abwechselung geht es über Knüppeldamm. Wie merkt man jede Unebenheit des Bodens durch die dicken Sohlen der Bergstiefel. Ich muß auf jeden Fall schon Blasen an den Füßen haben. Aber was hilft´s, wir müssen weiter. Stolpernd und fallend geht es ein lange, lange Zeit über Feldeisenbahnschienen. Soll ich mich hinwerfen. Meine Brust hämmert wie der Hammer auf dem Ambos. Der Schweiß rinnt in Strömen; jetzt ist auch alles wund – wie weit ists denn noch? Vorwärts, vorwärts. Die Zähne werden einen Augenblick zusammengebissen; dann keucht aber schon wieder der Blasebalg. Aber nein, schlappmachen darfst du nicht. Mit Aufbietung der letzten Kräfte schleppt man sich in dem fürchterlichen Dreck bis zum nächsten Haltepunkt. Und nun sehen wir vom weiten einen Ort. Es ist[,] als gebe es nun Kräfte. Aber kurz vor dem Dorfe drohen wir wieder niederzubrechen, es war noch eine halbe Stunde weit gewesen. Nun liegen wir in den Straßen und warten auf Kaffee und auf Quartiere. – Welch eine Enttäuschung! Nach einer halben heißt es wieder aufbrechen.

Und nun ging ein Suchen an. Die Führer wußten nicht Bescheid. In der Dunkelheit verliefen wir uns noch etliche Male. Umkehren – ein fürchterliches wettern der müden, kraftlosen Menschen.

Endlich um 11 ½ Uhr erreichten wir eine Baracke. Todmüde warfen wir uns hin. Unter dem Donner der Kanonen und dem Aufbrüllen der einschlagenden Granaten schliefen wir. Wäre in der Nähe eine Granate geplatzt, ich glaube keiner hätte sich gerührt. Und hätte uns eine Kugel getroffen – es wäre uns eine Erlösung gewesen. Am nächsten Morgen kochte ich zum ersten Male ab. Bald brodelte es in allen Kesseln. Es war dort draußen doch etwas anderes. Das Wasser floß aus einer Röhre – einwandfrei war es nicht. In dem Wasserloch wusch sich nebenbei die ganze Gesellschaft. Glücklicherweise wurden uns bald andere Quartiere angewiesen. Dort unten im Wiesengrund der Kaplagers war gut wohnen. Natürlich durfte man nicht zu hohe Ansprüche stellen. Ein Sack mit Holzwolle und Spähnen bildete das sogenannte Bett. Die Wolldecke zum Zudecken hatten wir ständig bei uns. Obwohl in Gesellschaft von Ratten schliefen wir tadellos. Wir wachten wohl ab und zu auf, wenn in der Nacht eine Granate einschlug und unsere Bretterbude wie ein Schiff hin und her schwankte. Aber an diese Kleinigkeiten gewöhnt man sich gar schnell. Am zweiten Tage wurden wir dann einzelnen Kompanien zugeteilt. Und nun war ich Jäger im Feld-Batl. Jäger 10. Unsere Zeit verbrachten wir mit nichts tun. Es war aber andauernd ein Hangen und Bangen. Kommen wir noch voran oder erhält die Kompanie endlich einmal die wohlverdiente Ruhe. Am 22. Juli wars soweit. Antreten, es ging zurück. In der glühenden Sonne marschierten wir auf der staubigen Landstraße. In Mangiennes wurde Nachtlager bezogen. Früh morgens am 23. Juli ging der Marsch weiter nach dem Dörfchen Villers de Ronde. O, wie wurden wir dort zusammengepfercht. Wie die Heringe lagen Mann an Mann auf einem Boden. Schnell Heu und Stroh zusammengerafft und das Bett war fertig. Endlich konnten man [sic!] einmal Post absenden. Wegen Raummangel mußte unsere Wohnung am 25. Juli geräumt werden. Glücklicherweise erreichten wir nach einer Stunde unsern Bestimmungsort Petit Failly. Das dortige Quartier war groß und luftig. Hier sollten sich nun die Truppen erholen. Des morgens wurde exerziert, nachmittags mußte im Dorfe gearbeitet werden. Es gab in den vielen zerstörten Häusern noch vieles aufzuräumen. Vor allen Dingen hieß es aber, das Heu von den Wiesen einzubringen. Am 30. Juli wohnte ich dem ersten Feldgottesdienst in Villers de Ronde [Villers le Rond] bei. Der Prediger war entschieden aber nicht ganz auf der Höhe. Einige Tage später hatten wir das Vergnügen nach Longeyon [Longuyon] zu marschieren. Entlausung war die Parole. Obwohl ich noch nichts mit den kleinen Quälgeistern zu tun gehabt hatte, ich mußte auch mit. Auf dem Rückwege fuhr der Kronprinz an uns vorbei. Wer das Glück hatte erhielt einige Zigarren und Zigaretten, die er aus dem Auto uns zu warf.

Lange sind wir nicht in dieser schönen Ruhestellung geblieben. Am 3. August abends 9 Uhr wurden wir plötzlich allamiert. In aller Eile wurde alles gepackt und ¾ 10 Uhr stand die Kompanie feldmarschmäßig auf dem Apellplatze. Unser Kompanieführer kam: „Leute! Das Batl. ist aus unbekannten Gründen allamiert  worden. Wohin es geht, keiner weiß es. Sollten wir aber in die Scheiße hineinkommen, so erwarte ich, daß ein jeder seine Pflicht tut.“ Ohne Tritt – marsch! Stolpernd ging es die düsteren Landstraßen entlang- Wohin gehts. Nach einer Stunde waren wir wieder vor Villers de Ronde. Was nun? Keiner wußte es. Auf einer Wiese wurde Halt gemacht. Nach längerem Warten legte sich einer nach dem anderen hin. Der Dachs diente wie immer wieder als Kopfkissen. Naß von Schweiß lagen wir im taufrischen Gras. Da noch immer keine Anstalten zum Weitermarsch gegeben wurden schnell die Decken heraus – so wars doch wärmer.  In der Ferne hörten wir die Kanonen brummen, Lichtsignale stiegen draußen auf. Kommen wir an die Front, oder gehts nach einem anderen Kriegsschauplatz. Vielleicht fuhren wir durch Deutschland. Mit diesen Gedanken verfiel bald jeder in Schlaf. Weit von dem nicht angenehmen Lager erhob man sich dem Morgen. 4. August 6 Uhr. Dort, sieh ein Lastauto, noch eins and dann kamen noch immer wahr. Sie halten bei uns. Abzählen! Einsteigen! 30 Mann in einen Wagen und fort ging die wilde Fahrt. Fahrwohl lieb Deutschland, wir müssen in das Gebrüll der Schlacht. Stiller und stiller wurde die Gesellschaft. – es gehe nach Verdun. [?], ein Auto hat sich verfahren. Unter fürchterlichem Schütteln gehts weiter. Rums, da sitzen wir in dem aufgeschütteten Schotter fest. Ein Bündel Stroh wird untergelegt – endlich kanns weiter gehen“ O, wie sehen überall die Landstraßen aus, was haben die vielen Automobile die Wege zerrissen. Und wir werden hindurch geholpert. Gegen Mittag hört die Fahrt auf. Alles aussteigen. Wie glücklich fühlten wir uns, wie wir die Marterinstrumente verlassen konnten. Draußen vor Azannes lagerten wir. Und nun wurde empfangen – Brot und kalte Portionen und – Handgranaten – Antreten – ohne Tritt marsch! Nach einer halben Stunde waren wir im Kaplager Zelte aufbauen, Mittagessen und Verproviantierung für den Stellungskrieg. ¼ Pfund Speck, 1 Pfund Schweizerkäse, nochmals Brot und doppelte eiserne Portionen. Enttäuscht brachen wir gegen 4 Uhr unsere Zelte wieder ab. Um 8 Uhr waren wir wieder in Bewegung immer näher gings dem Verdun zu. Wir waren in der Ruhe ja nicht zu Ruhe gekommen. Manchen Marsch hatten wir zurückgelegt, so fiel uns das Gehen über Hügel und Tal nicht gar zu schwer. Trotzdem mußte öfters gehalten werden. Es war noch tageshell und aufmerksam mußten ausgelugt werden, ob wir nicht vom Feinde bemerkt würden. Einzelne aus der Stellung zurückkehrende Kameraden darunter verschiedene Verwundete trösteten uns – da vorn ist dicke Luft.“ Bald hieß es in Gruppenkolonnen, dann wieder Reihenmarsch.  Jetzt zur Deckung in einen alten Laufgraben. Es würde dunkler und begann ein Stolpern über die vielen Drahte im Graben. Du, was ist das? Die erste Batterie. Sind wir schon so nahe an dem Feinde.“ Obacht, schneller gehen, Laufschritt! Was ist es dann. Wir waren an einer Stelle, welche von den Franzosen ständig unter Sperrfeuer genommen wurde. Gott sei dank, wir sind durch. Lange dauerte die Freude nicht. Wir hatten bald dasselbe Manöver. Frisch waren wir so nicht mehr, aber was konnten wir Beine machen nun noch durch ein Stück Wald, überall die zerborstenen Bäume. Hier hatten die Granaten gewütet. Aufgedunsen liegt dort ein Pferdekadaver. Schnell! Schneller nun noch diesen Abhang herunter. Wir sind vorläufig in Sicherheit in der Brule-Schlucht. Und nun beginnen darüber die Kanonen einzuschlagen, wo wir noch vor einem Augenblick gingen. Eine nach der anderen kommet angebrüllt – huiii. Dort schlägt eine ein bergehoch steigt der stinkende Qualm, Sand und Steine wirbeln in der Luft – eine fürchterlich[e] Detonation. Das also sind Granaten. Gut, daß sie angeflogen kommen da wir in Sicherheit einer [Berg…?] sind. Die tun uns nichts. Unheimlich aber ists doch – dieser Höllenlärm wie der Schall sich zwischen den Bergen bricht. Zu den bombensicheren Unterständen des Berges wird Nachtquartier bezogen. Über uns sausen die großen Zuckerhüte – wir brauchen uns nicht zu fürchten. Nun gestärkt erheben wir uns am Morgen des 5. August. Wunderbares Bergwasser dient zum Kaffeekochen. Eine Handgranate spendet Feuer. Nun kommen auch die ersten Morgengrüße des Feindes. Heulend kommen die Granaten wieder angeflogen. Ein Kamerad, welcher nicht genügend in Deckung war wird getötet. – da heißts aber auch schon wieder – Antreten. „Das kann nur gutes werden.“ Am hellen Tage noch weiter vor. Im allgemeinen ist es üblich des Abends im Dunkeln in Stellung gehen; um vom Feinde nicht bemerkt zu werden. Granate auf Granate platzt, während wir antreten. In Reihen rechts um einer hinter dem anderen. Glücklicherweise schießt der Franzose noch zu weit. Durch das erste Sperrfeuer sind wir glücklich hindurch. Über Berg und Tal und bald sind wir in der Todesschlucht. Totenstille ringsumher, aber die tiefen Trichter links und rechts, die zersplitterten Baumstümpfe zeugen davon, daß es hier schon laut sein kann. Und lange sollen wir auch nicht mehr warten. Dort kommt schon die erste Granate huii-i und rags [sic!] vorne platzt sie. Das war die erste auf uns . Die apathische Ruhe ist dahin. Unruhig dringen die Hinteren noch. Nun platzt eine links und dann wieder echts. Wir sind im Sperrfeuer. Nun packt es, in unseren Reihen sind einige gefallen. Also so sieht ein gefallener Jäger aus. Grausig, aber schnell vorbei; denn überall wartet der Tod. Unaufhaltsam kommt eine Granate nach der anderen an; immer neue Opfer. Jetzt stolpern wir über einen gefallenen Kameraden. Vorwärts, vorwärts! Aber es stockt; dann wieder hat eine der großen Kugeln nur zu gut getroffen. Die Splitter schwirren um die Schreu [sic!]. Einige werfen sich hin und bedenken das Gesicht. Aber warum das – im nächsten Augenblick kann es dort auch treffen. Darum, nur nicht stehen bleiben. Wo ist die Muttigkeit [sic!] geblieben, merkst du etwas von dem Druck des Dachses. Alles ist verschwunden. Aber der Selbsterhaltungstrieb peitscht an und schneller den je ist die gefährliche Feuerszene durcheilt. Nun haben wir doch endlich wieder etwas Ruhe. Aber wie bald ist etwas ähnliches da. Jetzt kommen wir zu einer besonders gefährlichen Stelle. Dort an der Anhöhe steht unserer Batterien, welche dauernd unter feindlichen Feuer liegt. Und wir Schaffens auch ohne Verluste. Links taucht Fort Douaumont auf. Bald sind wir am Ziele. Laufschritt marsch marsch. Alle Kräfte werden noch einmal angespannt. Jeder Muskel strafft sich; dann noch einmal geht es durch einen Todesweg. Jetzt sieht man auch keinen nahe fallen, dazu haben wir keine Zeit. Dort hinten liegt der sog. Steilhang unserer Reservestellung. Dort sind wir erst einmal wieder geborgen – also schnell. Zu Ende ermattet schleppen wir uns hinter die schützende Mauer des Berges. Zu tausenden wimmelt es dort. Nirgends ein Plätzchen wo wir die müden Knochen ausruhen können. Ich schlüpfe endlich bei einigen bayrischen Jägern unter. Kaum sind wir in Sicherheit so beginnt der Franzose ein wütendes Feuer. Er hatte uns nur zu gut bemerkt und beobachtet. Über zwei Stunden trommelt er. Der kann uns ja gewogen bleiben. Hierhin kann er nicht treffen. Zu früh hatten wir triumphiert. Eine kurz gehaltene Granate, ein fürchterlicher Einschlag – Sanitäter, Sanitäter! Grauenhaft erklingt der Jammerruf. Wohin nun; nirgends ein bombensicherer Unterstand. Also aushalten! Nur wie bald hatten wir uns eingelebt. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Bald lief alles durcheinander. Nur das Signal „Flieger Deckung“ brachte schnell Ruhe. Alles legt sich hin oder bleibt stehen. Dann heißt es noch ein Unterkommen für die Nacht suchen. Eifrig arbeitet Spaten und Spitzhacke. So hier am Berge liegen wir sicher. Kaum ist das Wort ausgesprochen – eine fürchterliche Erschütterung, die Erde bebt. Geduckt bleiben wir hocken. Nein – hier ist es nicht gut sein. Nun schnell noch etwas anderes suchen. Nur wir sind vom Glück begünstigt. Mit zwei anderen Kameraden krieche ich in einen verlassenen Bau. Hier schliefen wir mit dem Bewusstsein ein, jeden Augenblick kannst du von einer Granate getroffen werden. Merkwürdig wie der Mensch schnell abstumpft. Ich habe mit einer Ruhe geschlafen als wäre ich daheim. Während des 6. August blieben wir in der Befehlstellung. Auch am 7. August hatten wir verhältnismäßig Ruhe. Die Beschießung war die gleiche wie am ersten Tage. Überall hatten wir Verluste. Dort wo die Granaten einschlugen erforderten sie Opfer. Ruhig lagen wir in unserem Unterstand. In einer Entfernung von 4 Metern krepiert plötzlich einer der Zuckerhüte. Die großen Erdklumpen flogen auf uns zu. Wie ein Wunder blieben die Bewohner des Unterstandes, welcher betroffen wurde verschont; nur einer hatte eine leichte Verwundung im Rücken. Unsere Hoffnung in Reserve bleiben zu können, wurde am 8. August zu nichte. Die aktiven 10er Jäger gehen heute Abend in Stellung! Die Truppe, welcher ich angehörte blieb zum Waffentragen bestimmt zurück. So war ich am 9. August tagsüber noch einigermaßen in Sicherheit. Aber am Abend hatte auch unser Stündlein geschlagen. Ich wurde zum Kranken- bezw. Verwundetentragen kommandiert. Im fahlen Mondlicht zogen wir in einer Reihe um 11 1/2 Uhr ab. Zuerst hatten wir einen noch einigermaßen gangbaren Weg vor uns. Bald änderte sich aber das Gelände. Granatenloch an Granatenloch drüber weg. Zu allem Überfluss wurde noch ein Kaffeekessel defekt. Wir mußten ihn auf der Bahre schleppen. In Kaffee [sic!] brachten wir nach vorne. Mit Lebensmittel war jeder so ziemlich versorgt aber an Trinken mußte man auch denken. Ganz unhaltbare Zustände herrschten schon am Steilhang. Überall fehlte es an Wasser. Nach dem Fort Douaumont hin befand sich freilich eine Quelle. Aber das Wasserhohlen wurde gewöhnlich mit dem Tode bestraft. Zu genau wußte der Feind wo unser Wasserspender war. Fortgesetzt lag die Quelle unter Feuer. Die vielen Leichen ringsum sagten zu deutlich wie wenige zurückgekehrt waren. Aber wir mußten doch etwas zum Trinken haben. Mit dem Becher konnte doch keiner auskomme. Aus den Granatenlöchern wurde das schmutzige grüne Wasser geschöpft. Oft hatte es noch den Pulvergeschmack. Es wurde aufgekocht und dann mit Todesverachtung getrunken. Und auch das holen des Wassers aus diesen Löchern war mit Todesgefahr verbunden. Man mußte immer eine Feuerpause abwarten. Also nun waren wir dabei unseren Kameraden Kaffee zu bringen. Wie obern bemerkt war das Gelände von Granaten schrecklich durchwühlt. Die Löcher waren nicht nebeneinander, sondern im wahrsten Sinne des Wortes aufeinander. Grausig war der Anblick der vielen Gefallenen. Ein unsagbarer Geruch ging von ihnen aus, schrecklich, oft bis zur Unkenntlichkeit gerissen. Wie manches mal stolperten wir über abgerissene Gliedmaßen. Bis zum Bahndamm von Fleury fanden wir uns gut zurecht. Nach einigen suchen erreichten wir dann auch glücklich unsere Stellung. Schnell den Kaffee abgeladen. „Habt ich schon Verluste?“ „Nein! Aber dort liegt seit 3 Tagen noch ein 14er, nehmt den nur mit, wir können sein Jammern nicht mehr aushalten.“ Also los! Wo sind die bestimmten Krankenträger; nur zwei Mann. Wie ziehen ab. Der Gegend unkundig verlaufen wir uns. Immer durch Granatenlöcher, soweit wir sahen, nichts als Löcher, ein aufgewühltes Erdreich wie von einen riesigen Dampfpflug durchwühlt. Nach 10 Minuten Schleppens finden wir unsere Kameraden. Wir beide sind aber auch schon von den fürchterlichen Strapazen vollständig marode. Ablösung vor. Diese hat nun schon wenigstens etwas von einem Weg. Trotzdem fordern sie nun nach kurzer Zeit wieder zum Tragen auf. Es geht kaum. Und nun zu allem Unglück, wir haben wieder nur Granatenlöcher zu durchqueren. Die anderen Kameraden eilten voraus. Nur durch andauerndes Schreien ließen sie sich bewegen zu warten. Sie lösten einmal wieder ab. Nach kurzer Zeit mußten wir aber wieder heran. Keuchend fast zusammenbrechend schleppten wir uns dahin. Das war noch viel schlimmer als seiner Zeit auf dem ersten Marsch in Frankreich. Dazu summten die Granaten um uns herum. Ein Ausweichen gab es nicht, sie konnten unseren Verwundeten doch nicht kurzerhand hinwerfen. Nur heraus aus dem offenen Gelände. Also Laufschritt mit der Bahre. In welcher Verfassung wir endlich den Steilhang erreichten, kann sich ja jeder vorstellen. Erschöpft und ermattet bis zur Bewusstlosigkeit legten wir uns in den Unterstand. Nur endlich einmal etwas Ruhe. An Schlaf konnte ich nicht denken, die Erregung war zu stark. Mit offnen Augen hatte ich wohl eine Stunde gelegen. „Alle Mann heraustreten.“ Wir rührten uns nicht. Aber nun wurden wir gesucht und gefunden. Von jeder Gruppe wurde ein Führer ausgewählt. Führer, die unsere Ablösung in die Stellung bringen sollte. Und ich war wieder dabei. Es geht nicht und es mußte gehen. Nach einer Weile standen wir feldmarschmäßig bereit, freilich mit zitternden Knien. Um 6 Uhr des 10. August, dem dem Geburtstag meiner Mutter marschierten wir ab. Wie oft habe ich an dem Tage nach Hause gedacht. Nun schnell durch die Schlucht nach oben – zurück zur 2. Reservestellung – zur Fosses-Schlucht. Glücklicherweise blieben wir von Feuer ziemlich verschont, aber wir hatten 1 Stunde zu gehen und das mit vollem Gepäck. Mit Aufbietung meiner letzten Kräfte schleppte ich mich dahin. Die Brust hämmerte, die Lunge arbeitete wie ein Blasebalg. Wie erquickend war es von den Pionieren im Walde eine Trunk Wasser zu erhalten. Noch waren wir aber nicht am Ende unseres Weges. Und wenn wir dachten endlich einmal zur wohlverdienten Ruhe zu kommen, wir hatten uns geirrt. Wie lange mußten wir an dem Morgen noch nach einer Unterkunft suchen. Alle Quartiere waren belegt. Endlich fanden wir einen Bau. Vertrauenserweckend sah er ja freilich nicht aus, ein Erdloch mit einigen Baumstämmen bedeckt. Wenn hierauf nur eine Granate fällt, so sind wir alle verloren. Aber die große Ermattung ließ schließlich alle Bedenken schwinden. Wir krochen hinein. Wie bald wurden wir aber dort wieder vertrieben. Nach kurzer Zeit begann der Franzose sein Morgenkonzert. Wir vermeinten in der Hölle zu sein. Krachend unter donnerndem Getöse schlugen die fürchterlichen Brummer ein. „ Stollen aufsuchen!“ ertönte überall der Ruf. Mit einigen anderen fand ich dann auch einen solchen unterirdischen Bau. Froh , einigermaßen in Sicherheit zu sein, erwarteten wir die Beschießung ab. Schweres Kaliber kam ununterbrochen angesaust. Von den fürchten lachen Explosionen erzitterte die Erde. Als würde das unterste nach oben gekehrt. Solch fürchterlicher Spektakel herrschte um uns. Mit Schrecken gedachten wir des kommenden Abends. Keineswegs konnten wir in unserer leichten Sommerwohnung verbleiben. Zum Glück währte die Beschießung nur eine Stunde. Bald waren wir wieder auf der Wohnungssuche. Leider vergeblich. Alles war überfüllt. Eines tröstete uns nur noch: Das Reservebatl. . Der 10er Jäger geht heute Abend weiter zurück. Schnell handeln, ein Stollen wird im voraus bestellt. Unsere Geduld wurde aber noch einmal auf eine recht lange Probe gestellt. Sollten wir denn garnicht einmal zur wohlverdienten Ruhe kommen. Bis Abends 11 ½ Uhr verblieben noch die alten Bewohner in ihrer Höhe. Dann konnten wir sie in Beschlag nehmen. 3m lang, 1,70m hoch und vielleicht 1,20m breit. Mit 3 Mann hielten wir unseren Einzug. Nun konnten die Franzosen ruhig weiter donnern; sie waren schon ein Weilchen wieder dabei. Wir saßen erst einmal wieder geschützt in der Erde. Wie schnell paßt sich doch der Mensch neuen Verhältnissen an, wenn es sich um das liebe Leben handelt. Jetzt waren wir Höhlenbewohner. So, nun konnten sich die müden Knochen einmal wieder strecken. Am nächsten Tage sorgte der Regimentsstab für unser leibliches Wohl. Wenn nicht bloß jeder Weg mit Lebensgefahr verbunden war, so hätten wir es lange aushalten können. Unsere Ablösung, Inf. Reg. 130 war am Abend auch angekommen. Bald sollten wir in Arbeit treten. Tagsüber wurden wir fürchterlich beschossen. Während des ganzen Nachmittags bis gegen 10 ½ Uhr abends kam eine Grabet nach der anderen angeflogen. Um diese Zeit wurde abgetreten. Überall formierten sich die Kompagnien. Mir wurde der dritte Zug der dritten Kompanie zugewiesen. Unter Kanonendonner und Granatenfeuer ging’s zuerst dem Steilhang zu. Mitten durch unsere feuernden Batterien führte uns der Weg. Ein gefährlicher Augenblick, jeden Moment konnten wir von den feindlichen Granaten, die unsere Batterien zum Ziel hatten, getroffen werden. Die langen Feuerstraßen aus unseren Kanonen beleuchteten den Weg. Wir kamen glücklich hindurch. (11. August) Mit dem Stecken in der Hand schritt ich meinem Zuge vorauf. Dort hinten lag der Steilhang. Nun schneller; denn wir kamen wieder in eine gefährliche Feuerzone. Laufschritt, nun kommt der Hang. Da stockt es! Aus der Reihe heraus nur vorbei. Da Habens wir. In die Reihen der 130er schlägt ein. Also nun schon Verluste! Nun sind wir glücklich in Sicherheit. Ermattet warfen sich die Leute hin. Eine kurze Rast. Wir erhalten noch zwei Führer von der Kompanie. Nun kommt das schlimmste Stück. Im Halbdunkel stapfen wir dahin. Vielleicht haben wir Glück und kommen ohne Feuer durch. Aber so etwas gibts ja einfach nicht. In die vorderste Reihe kommt ein Volltreffer. Führer nach vorne! 5 waren wir gewesen. Wie wir uns umschauen sind wir noch zu zweit, Wir beide hier an die Spitze der Kompanie. Langsam gehts Schritt vor Schritt. Nun wieder Sperrfeuer. Alles sucht Deckung in den vielen Granatenlöchern. Weiter! Wieder das selbe und so fort. Aber allmählich gewinnen wir doch Raum. Jetzt sind wir am Bahndamm von Fleury. Wie geht der Weg nur weiter, keiner weiß es. Jeder Weg und Steg hielt hier auf. Was nun? – Suchen! Zuerst links, dann rechts, dann einmal gerade aus. Wohin wir uns wenden, Überall heftiges Feuer. Weit können wir nicht von unserer Stellung entfernt sein. Mein geraden wegs [sic!] sinds nur 10 Minuten. Aber wo ist er? Daß wir vorne waren erzählen uns schon die vielen Infanteriegeschosse, das Rattern der Maschinengewehre, das platzen der Gewehrgranaten und das Jaulen der Mienen.

Zurück, vorwärts! Ein hin und her. Einen Augenblick Deckung. Jetzt wieder in den Regen der geschossen. Ping, ping Fliegen die kleinen Spitzkugeln um die Ohren. Die Kompagnie bleibt in Deckung liegen. Führer suchen die Stellung. ¾ Stunde dauert dieses entsetzliche Umherirren. Kann man denn nicht einmal einen Menschen fragen. Nein, wer kommt wohl hier her? Endlich stoßen wir auf Truppen. Gebückt gehen, schreien Sie uns entgegen. Warum denn? Dabei kann man eben so gut eine Kugel bekommen. Gibt es überhaupt einen Punkt, der nicht getroffen ist? Es scheint so, als bleiben wir beide nur verschont. Unsere oder ich will lieber sagen meine Gedanken sind längst vollständig ausgeschaltet. Mit einer fast krankhaften Ruhe kriechen und stolpern wir weiter über Granatlöcher. Endlich haben wir Anschluss mit unseren Jägern. Auf dem selben Wege zurück und die 130 heran holen. Dort sind sie. Die Leute folgen einzeln gebückt in größeren Abständen. In der Stellung angekommen haben wir sämtliche Offiziere und 12-15 Mannschaften hinter uns. Wo sind die anderen geblieben? Ein fürchterliches Wettern unseres Kompagnieführers! Was bleibt uns beiden Führern übrig nochmals auf die Suche. Über ¼ Stunde suchen wir das unwirtliche Gelände ab. Überall hören wir in dem einerlei grau nur unsere eigene Stimme. Dazu haben wir nochmals das Vergnügen in die blödsinnige Schießerei hineinzurennen. Nimmt das denn garkein Ende? Der Kopf brummt, die Füße schmerzen; denn es ist ein andauerndes Ausgleiten! Mit den endlich gefundenen Feldgrauen rutschen wir endlich in die Granatlöcher unserer Kameraden. Da habt ihr eure Ablösung! Nun aber hurtig. Schnell wie der Wind sausen wir mit unseren Recken den Rückweg entlang. Als ob der Böse hinter uns sei – und ists denn nicht so? Aus wie viel Mündern spuckt es Tod uns Verderben hinter uns drein? Trotz der feldmarschmäßigen Bepackung werden wir überrannt. So schnell sind die Jäger noch niemals gelaufen, wie damals auf dem Rückweg zum Steilhang. Leider haben wir in dem Sperrfeuer noch arge Verluste gehabt. Engelmann fiel!

Unseren Vorsatz in der 1. Reservestellung zu übernachten gaben wir auf. Obwohl müde zum Umfallen rafften wir beide uns nachmals auf und wankten noch 1 Stunde weiter. Bis zur Fosses-Schlucht bekamen wir kein Feuer. Wie tat die Ruhe im Walde wohl. Das Herz floß über und Dankbarkeit gegen Gott, der mich so gnädig bewacht hatte. Wieder tränkten uns die Pioniere mit frischen Bergwasser. Eine Wohltat. 5 Uhr morgens wars geworden, wie wir unsere Lagerstätten aufsuchten. Die seelische Erregung war aber so stark, kein Schlaf kam in meine Augen. Um 10 Uhr (11.8.16) packten wir unsere Sachen und nun ging es dem Batl. nach. Glück muß der Mensch haben. Von der Fosses-Schlucht bis Deutsch Eck konnten wir mit der Feldbahn fahren. Endlich waren wir aus dem Bereich der Kanonen heraus. Gegen. 1 ½ Uhr trafen wir um Lager „Neuer Wald“ ein. Essen aus unserer Feldküche – ein Hochgenuß. Können wir uns denn nun endlich ausruhen? Nein, es kam anders. Verschiedene Apells. Und am Abend die Nachricht: Morgen früh 3 Uhr steht die Kompagnie feldmarschmäßig auf der Landstraße. Wieder wars einmal ein Sonntag, an einem solchen Tagen hatten wir doch schon immer etwas besonderes gehabt. Was war das für ein Mensch am 13. August? Die ermattete Truppe mußte bis 10 Uhr marschieren. Niemals hätte ich früher gedacht, daß der Mensch so etwas aushalten könnte. Und es ging, weil es gehen mußte. Bis drei Uhr lagen wir vor dem Bahnhof Spincourt! Gehts nach Deutschland? Ach, dieses Sehnen die Heimat zu sehen! Bis 1 Uhr nachts sind wir gefahren und gar bald wußten wir, Richtung Norden von Verdun. Mit 16 Mann richteten wir es uns in unserem Güterwagon etwas gemütlich ein. Es war doch einmal wieder etwas anderes, ein bisschen Reisender zu spielen. Kurz war aber nur die Freude. Endstation „Grandpre“. – Alles aussteigen. Im dunkeln hockten wir auf Brettern und schlürften mit behagen den warmen Kaffee. Antreten! Dort lag das Stückchen, dort werden wir zur Ruhe kommen. Aber nein, wie sollte uns dieses Glück beschieden sein. Die Maschine setzte an und schnurr begann sie zu laufen. Mechanisch setzten wir die Beine. Was nützte uns die wunderbare Mondlandschaft and der Aisne, wir blieben ja doch nicht. Bis 4 Uhr morgens pilgerten wir. Wie manche Pause mußte gemacht werden. Wie heißt das Nest? Champigneule [Champigneulle]. Um 5 Uhr durften wir die müden Knochen hinstrecken. Wie lange. Um 7 Uhr wurde geweckt. Und um 8 Uhr standen wir wieder in Gruppenkolonnen. (14. August) Eine Erleichterung. Die Dachse wurden gefahren. Und doch bittersüßer ist uns der Marsch geworden; denn um 2 Uhr erreichten wir erst unser Ziel. Zwei Stunden bergan hinein in den Argonnerwald. Eine schönre Gegend wie dort im Nollte-Lager konnten wir uns garnicht denken. Mittagessen aus der Feldküche. Düfte empfangen. Wie ich mein Essgeschirr spüle lese ich „Bad“. Da mußt du einmal hineinsehen. Ein warmes Brausebad. Wie lange wars schon her, daß ich einmal das Hemd gewechselt hast? Bist du der noch, der früher so Tee petete war. Brr. Ich schwelgte förmlich, wie das warme Naß hernieder rieselte. O, wie tat das gut. Nun ists aber Zeit, einmal aus Zurufen. Kaum lagen wir. Hui – rax und dann noch mal und wieder und wieder. Sollten wir denn ohne Schlaf bleiben? Jaulend sausten die schwarzen Dinger in den Wald hinein. Auf in einen Stollen. Nach einer halben Stunde krochen wir wieder ans Tageslicht. Antreten und antreten. Gibts denn nichts anderes, wollen sie uns denn heute schon kaputtmachen? Von 10 Uhr abends bis 12 ½ Uhr durften wir dann endlich ruhen. Wieder war es nichts mit einem Ruhetag, garnicht daran zu denken, daß wir in Ruhe liegen bleibenkonnten. Morgens um 1 Uhr (15.08.) standen wir marschbereit. Zu allen Überfluss begann es leise zu regnen. Das kann auf den Waldwegen ja gut werden: Unsere mißhandelten Füße! Wie weit ists denn? 1 ½ Stunde! Das geht ja noch. Unsere Büchse mußten wir freilich schleppen. Nach einer Stunde waren wir glücklich am Anfang des Laufgrabens. Voll froher Hoffnung nach einer halben Stunde das müde Haupt hinlegen zu können ging es fürbas. Gar bald war die halbe Stunde und noch eine dazu herum. Von einem Ende dieses schmalen Grabens war aber nichts zu sehen. Links und rechts stieß man gegen die Kalkmauern des Grabens. Ein Stolpern über abgebröckelte Steine. Lebensgefährlich wurde dieses wenn man scheinbar endlose Stufen nach oben klettern mußte. Endlich trafen wir Kameraden. Wie weit ists noch? 10 Minuten! Nach einer Viertelstunde wieder; Wie weit haben wir noch? Zwanzig Minuten! Bald wieder unser Fragen, und immer dieselbe Antwort, bald heißt es 10 Minuten, bald 1/2 Stunde. Alles nimmt ein Ende so auch dieser Schmerzensweg. Ein solcher war im er im wahren Sinne des Wortes. Es war auch wohl keine Stelle am Körper, die nicht mehr oder weniger wehtat. Morgens 5 ¼ Uhr erreichten wir den uns zugewiesenen „Grabenabschnitt“. Büchse abnehmen; der Graben wird so eng, daß wir uns zwängen müssen. Ein Werk unser freundlichen Nachbarn von drüben. Ich trollte als letzter meiner Gruppe hinterdrein. Meinen Dachs zog ich wie einen Schlitten hinter mir her. Im Zwielicht erblickte ich plötzlich zwei Soldaten in Mänteln. Es wohl zwei von den naseweisen 178ern sein, die uns nun schon so oft angeödet hatten. „Nun machen Sie nur etwas schnell“ ertönt ihr Kommando. „Ihr habt hier klug reden, aber seit 10 Tagen haben wir keine Nacht Ruhe gehabt.“ Meine Antwort. „Wie heißen Sie?“ Die Stimme meines Kompagnieführers. Ein ruckartiges Zusammenfahren meinerseits. Kurz und knapp erfolgt die militärische Antwort. Ein Abwinken und die Sache wäre erledigt gewesen. Da besitze ich die besondere Frechheit und entgegne noch: „Es ist aber auch wirklich so, Herr Leutnant.“ „Halten Sie’s Maul!“ Ich schlurfte weiter. Mir war doch alles so egal. – Am anderen Tage erzählte mir ein Kamerad, daß unser Leutnant sich zu einem Pionieroffizier geäußert hätte, seine Leute hätten in der letzten Zeit fast unmenschliches geleistet. Eine Genugtuung für mich. Wenn wir nun dachten, jetzt endlich schlafen zu können, so waren wir wieder auf dem Holzweg. „Keiner darf sich vor der Sprengung hinlegen. Kohlengase (Kohlenoxidgase) Was verstanden wir von einer Sprengung. Wir krochen trotz des Verbots in unsere unterirdische Höhle. Gegen 6 Uhr werden wir von einem furchtbaren Erdbeben geweckt. Die Sprengung. Der ganze Bau schwankte wie eine Schaukel hin und her. Wir dachten, alles würde über uns zusammenfallen. Es war für mich aber trotzdem nur ein kleiner Zwischenfall. Ich nahm eine andere Seite und döste weiter. Um 10 Uhr wurde ich aber auf unliebsame Weise geweckt. Auf Posten ziehen. Also etwas neues. Feldmütze auf, umgeschnallt, Gewehr in die Hand, so krache ich ans Tageslicht. Handgranatenposten. Wären an dem Tage die Franzosen gekommen, sie hätten kinderleichtes Spiel gehabt. Mit drei Mann saßen wir in einem Stollen und erzählten uns etwas. Glücklicherweise wurden wir bei der Ablösung nicht beschossen. Am 16. August bekam ich eine neue Bestimmung – Patrouille im Graben. Ich hatte hinfür nur Nachtdienst. Dafür sollte ich aber des nachmittags Arbeitsdienst verrichten. Abends 10 Uhr bezog ich zum erstmals meinen neuen Posten. Der Einfachheit halber hatten wir miteinander ausgemacht, uns alle 4 Stunden abzulösen und nicht alle 2 Stunden. So hatten wir dann doch etwas mehr schlaf. Bis morgens 2 Uhr verblieb ich draußen. Viel Schlaf habe ich dann aber doch nicht gehabt. Morgens um 5 Uhr wurde ich schon wieder geweckt. Kaffee holen. Bei dieser Gelegenheit habe ich mich nun ganz gewaltig verlaufen. Wo bin ich an dem Morgen überall gewesen? Eine Stunde bei der Küche vorbei habe ich sie in den Schluchten gesucht. Nach vielen Fragen landete ich dann aber doch bei unserer Küche. Für die nächsten Tage war mein Dienst derselbe wie eben gesagt. Das heißt, Ich habe nicht jeden Tag Kaffee geholt, das gehen abwechselnd. Aber in der Nacht ging ich meinem Grabenabschnitt entlang. Schöne Stunden habe ich dort verlebt. An dem Endpunkte meines Ganges traf ich mich mit meinem Nachbarn. Nur hier wurde nun politisch. 21. August 1916, mein Geburtstag. Geburtstag in Feindesland, fern von den Lieben, ein eigentümliches Gefühl. Morgens um 1 Uhr, wie ich auf Posten stand erinnerte ich mich dessen, daß ich wieder einmal ein Jahr älter geworden war. Am Nachmittag verrichtete ich Arbeitsdienst. Wie weilten wieder meine Gedanken daheim. Am 22.8. wurden wir zwei Stunden von den Franzosen mit schweren Minen belegt. Wir hatten dort einen vorgeschobenen Trichter besetzt. Mit Granaten konnte uns der Franzmann nichts anhaben. Aber desto mehr schleuderte er und seine unheimlichen Minen herüber. Gefährlich waren die kleinen Fallminen. So klein sie waren, so unheimlich wirkten sie. Blitz schnell waren sie da und rissen alles in Stücke was sie trafen. So schnell konnten nun die großen Dinger nicht heran kommen. Man konnte sie gut in der Luft beobachten. Im flachen Bogen kamen sie angesaust um steil herniederzufallen. Also zeitig in Deckung gehen. Wo eines dieser unförmigen Dinge hinschlug, da wuchs kein Gras mehr. Angenehm war’s ja auch nicht im Unterstand. Dieses fürchterliche Getöse, das Krachen der eingeschlagenen Minen. Der ganze Unterstand erbebte in seinen Fugen. Er war ja ziemlich bombensicher 10-12m unter der Erde. Doch war unser Gespräch nur das eine – hält er stand? Wie oft haben wir während einer solchen Beschießung die Kerze anzünden müssen. Durch den gewaltigen Luftdruck saßen wir alle Augenblicke im Dunkeln. Wie sah es denn überhaupt dort unten aus? Einladend gewiss nicht. Der Abstieg in unserer Wohnung war jedes Mal alles andere, nur nicht angenehm. Eng und schmal ging die Treppe nach unten. Das Wasser tropfte von der Decke. Unten ein Raum 2,50 m im Geviert. Wohnung für 9 Mann, eigentlich 10. 5 Betten unten, 5 darüber. Maschendraht war zwischen Baumknüppel gespannt. Und doch fühlten wir uns in der muffigen Luft ganz wohl. Wir waren wenigstens in Sicherheit. Wir hatten einen Ort, wo wir die müden Glieder hin strecken konnten. Die Beschießung war beendet. Schnell die Posten auf ihre Runde. Wie sah unsere schöne Stellungen nur aus. Was hatten in den zwei Stunden die Franzmänner wieder erreicht. Die Graben und leichteren Unterstände waren zerschossen. Die dicken Balken und Eisenträger waren wie Streichhölzer geknickst. Von Glück konnten die Bewohner eines zerstörten Unterstandes sagen, wenn sie ihr Leben gerettet hatten. Immer ging es nicht so glimpflich ab. Gar manche Opfer haben wir zu beklagen gehabt. Von Granatsplitter getroffen liegen sie da. Schwierig war es oft noch dem Postenstande zu kommen, wenn die Minen so gewütet hatte. Da hieß es, wenn der Graben zusammengefallen war, oben drüber weg. Eine lebensgefährliche Geschichte. Dort drüben stand der Feind. Jedem, den er sah sandte er mit dem Maschinengewehr einige blaue Bohnen nach. Ich hatte am [Socler?]-Weg meinen Postenstand. Beim Aufräumen nach einer solchen Beschießung pfiff eine solche abgesandte Kugel feuerscharf an meinem Kopfe vorbei. Also wenige Millimeter und es wäre gewesen. Nachts patrouillierte ich jetzt von der Diplomatenecke bis zum untersten Sperrposten. Kinners war das ein Betrieb wie ich am 28. August [1916] zum 1. Male abends um 10 Uhr aufzog. Gefr. Fink löste ich ab. Er sollte mich nun schnell in meine Tätigkeit einweisen. Soweit kam es aber nicht. Kaum hatten wir uns etwas von der Diplomatenecke entfernt, da hörten wir überall in den französischen Gräben helle Signalhörner. Gleich darauf begann ein unheimliches Geschieße, ein Getöse, daß einem Hören und Sehen verging. Leuchtraketen, weiße, grüne und rote gingen hoch. Es war ein fürchterliches Durcheinander. Unsere Kanonen und Maschinengewehre antworteten. Wir dachte doch nichts anderes, der Franzmann wolle einen Angriff machen. Mein guter Mann lief davon. So da stand ich und wußte nicht wohin. Kurzerhand kehrte ich schließlich um und suchte vor den Minen etwas Deckung. Wie die Schießerei sich schließlich gelegt hatte ging ich meinen Patrouillienweg. Ich habe mich dann auch allein zurecht gefunden. Die Zeit von 10-12 Uhr war immer schnell dahin. Aber die von 4-6 Uhr morgens. Nachdem ich noch einmal den Nachtposten bezog mußte ich um 4 ½ Uhr am [Socler?] Weg auf Tagesposten stehn. Der war nun kein Vergnügen. In Wind und Wetter stand ich dort ohne Schutz, keine Hand konnte ich vor Augen sehen. Drei Sandsäcke waren unter mir. Von einem Fuß auf den andern trat ich darauf herum. Ganz schlimm wurde die Geschichte, wenn es regnete. Nun wurde ordentlich eingeweicht. O, wie sah unsere Stellung aus, wenn sie zerschossen war, aber wenn ein schöner Landregen in der Nacht dazu niederging, man wußte nicht, ob es im Schweinestall sauberer war. Bis zu den Knien kam man in den Schlamm hinein. Dazu suchte man mit den Händen Stütze an den Grabenwänden. Jedesmal griff man in Schmodder oder fiel dagegen. Salonfähig war ich ganz gewiß nicht. Nach Ablösung legte man sich dann hübsch mit dem Dreck schlafen. Um vier Uhr ließ man sich dann vom Regen durchweichen. Angenehm war schließlich etwas anderes. Wie schmeckte dann aber um sechs Uhr der Kaffee. So haben wir bis zum 6. Sept. 2 Stunden Posten gestanden 4 Stunden Ruhe gehabt. Zuletzt waren wir kaum noch zu kriegen. Der Schlaf war bleiähnlich. Man konnte ja niemals durchschlafen, immer wurde man wieder geweckt. Ich glaube dieses Parkoursystem halten auch wir aus. Andere Truppenteile wurden immer nach einigen Tagen vom Postenstehen abgelöst um ausschlafen zu können. Unser Zug hat eben Dauerpostenstellung gehabt. – Das angenehme in den Argonnen war die Verpflegung. Zuerst haperte es gewaltig. Dann nachdem unsere Jäger bei anderen Truppenteilen Brot gebettelt hatten[,] wurde es gut. Jeden Nachmittag erhielten wir noch extra ein Brötchen. Das schmeckte großartig. Postverbindung war auch gut. Wenn diese Minengeschieße und vor allen Dingen die Sprengungen nicht gewesen wären, man hätt es schon aushalten können. Bei der Beschießung wurden jedesmal die Posten zurückgezogen. Alles kroch in die Heldenkeller. Hier hörte man sich dann das Höllenkonzert an. Wie oft haben wir infolge des fürchterlichen Luftdruckes, den die Minen verursachen, unsere Kerzen anstecken müssen. Ganz arg waren auch die kleinen Pfeilminen, so klein sie waren, sie hatten eine unheimliche Wirkung. Das ärgste waren aber die Sprengungen. Das ganze Gelände war durchwühlt, wie es die Maulwürfe nicht schlimmer machen konnten. Die einzelnen Stollen wurden in die Erde gebaut, so 20 m tief und noch tiefer und dann wurde langsam geradeaus gearbeitet. Die Pioniere hatte sehr viel unter [Erd?] zu leiden. Dauernd arbeiteten die Ventilatoren. War ein solcher Stollen nun weit genug vor getrieben, so wurde ein darüber gefunden feindlicher Stollen abgequetscht und damit unbrauchbar gemacht. Oder es fanden große Sprengungen statt. Zu dem Zweck wurden hinderte von Centnern Sprengstoffe hineingeschafft, dort wo sie in die Höhe gingen entstand ein gewaltiger Trichter. (Wir hatten ja auch einen solchen besetzt.) Ca. acht Tage bevor wir abgelöst wurden, hatten sich die Franzosen unter uns gewühlt. In Angst und Bangen sind wir die Zeit noch dort gewesen. Jeden Augenblick konnten wir allesamt in die Luft gehen. – Wir haben aber Gott sei Dank Glück gehabt. Fand eine solche Sprengung statt – morgens von 5 ½ -10 Uhr war Sprenggefahr – so konnte man die gewaltigen Erschütterungen [?…weit] warnehmen. Die Erde schwankte wie bei einem Erdbeben.

Am 6. September erkrankten wir in unsrem Unterstand an Gasvergiftung, hervorgerufen durch eine am Morgen stattgefundene Sprengung. Durch entstandene Spalten waren Gase in den Unterstand gelangt. Während unser Batl. abgelöst wurde, bezogen wir 9 Mann das Revier. Glücklicherweise hatten wir es zur rechten Zeit bemerkt, sodaß wir mit leichterem Unwohlsein davon kamen. Es war aber auch die höchste Zeit, daß wir aus unserem Bau herauskamen; denn der Franzmann war mit seinem Stollen schon unter unserem Unterstand.

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