Kriegstagebuch eines unbekannten Soldaten der Reserve-Fernsprech-Abteilung Nr. 18 (August 1914 bis Juli 1916)

Dieses Kriegstagebuch eines unbekannten Soldaten der Reserve-Fernsprech-Abteilung Nr. 18 (XVIII. Reserve Armeekorps) von August 1914 bis Juli 1916 ist in einer sehr sauberen Handschrift geschrieben worden. Dem Tagebuch sind keinerlei persönliche Angaben des Soldaten zu finden. Weder steht irgendwo sein Name, noch schreibt er über seine Familie oder seinen Geburtsort. Nichts!

Der Soldat war bei einer Fernsprechabteilung eingesetzt, die zu den Korpstruppen des XVII. Reserve Armeekorps gehörte. Als Korpstruppen werden jene Einheiten eines Korps bezeichnet, die direkt unter dessen Kommando stehen und die die vom Korps geführten Divisionen unterstützen oder sonstige Aufgaben zur Führungsunterstützung übernehmen. Die Fernsprechtruppen stellen die Verbindungen zwischen den eigenen und benachbarten Einheiten sicher. Wir wir aus dem Tagebuch erfahren, war der Soldat deshalb hinter der Front eingesetzt, um dort entweder Leitungen zu legen oder zu reparieren. Auch besetzte er den Klappenschrank – also die Telefonzentrale.

Er blieb während des gesamten Zeitraums des Tagebuches bei dieser Einheit. Über Urlaube in der Heimat schreibt er nicht. Sein Einsatzgebiet war in Frankreich ab September in den Ardennen, vor allem im Raum Autry.

So berichtet er nicht nur von seinem normalen Dienst hinter der Front, sondern auch von wichtigen Kriegsereignissen, die in seiner näheren Umgebung passiert sind. Er schreibt über die Eroberung der Höhe 191 südlich von Cernay und darüber, wie deutsche Pioniere die französischen Schützengräben unterminiert und gesprengt haben am 2. Februar 1915.

Das XVIII. Reserve Armeekorps war in den Stellungskämpfen der Champagne und der westlichen Argonnen beteiligt, bis es im Juli 1916 in den Raum Verdun verlegt wurde.

Das letzte Datum im Tagebuch ist der 16. Juli 1916, an dem der unbekannte Soldat über die Verlegung nach Sorbey nordöstlich von Verdun bei Longuyon berichtet.

Warum das Tagebuch hier endet, ist ein Rätsel, denn es sind noch viele Seiten frei. Ist der Soldat vielleicht gefallen? Oder hat er einfach kein Tagebuch mehr geführt? Vermutlich werden wir diese Fragen nie klären können, solange den Namen des Verfassers nicht kennen.

 

Erste Seite des Kriegstagebuches des unbekannten Soldaten bei der Reserve-Fernsprech-Abteilung Nr. 18 (XVIII. Reserve Armeekorps)

Kriegstagebuch eines unbekannten Soldaten (August 1914 bis Juli 1916)

Autry, Weihnachten 1914.

Dieses Tagebuch beginne ich am 2. Januar, da es mir als Christgeschenk gesandt wurde. Da ich in Autry genügend freie Zeit finde trage ich aus meinem seither gebrauchten Notizheft alle Begebenheiten hier nachträglich ein.

 

Am 31. Juli 1914 erfolgte die Erklärung des Kriegszustandes über das Deutsche Reich, der am 1. August abends 5 Uhr der Mobilmachungsbefehl folgte.

Der 3. Mobilmachungstag (4. Aug.) rief mich zur Fernsprech Abteilung des XVIII. Reserve Armeekorps. Während des Einkleidens, welches vom 4. bis 7. August dauerte, war die Abtlg. in Erbenheim einquartiert. Daß ich mich dann selbst bei „Muttern“ einquartierte ist selbstverständlich.

Am 7. Aug. abends rückten wir ab nach Mainz und dort erfolgte das Verladen der Wagen und schließlich auch 11 Uhr abends unsere Abfahrt ohne daß wir selbst unser Ziel wußten. Die Abfahrt war nicht besonders freundlich denn es regnete nicht zu wenig sodaß wir mit nassen Kleidern uns in den Waggons bequem machten. Während der Fahrt wurden wir auf den Stationen wo unser Zug hielt sehr reichlich von Frauen und Mädchen mit Butterbrot Kaffee u. dgl. bewirtet.

Unsere Fahrt brachte uns durch das Nahetal nach Wadern bei Saarbrücken. Es war am 8. Aug. 10 Uhr vorm. als wir dort unsere Fahrzeuge ausladen. Der am Nachmittag stattgefundene Apell machte uns mit dem Abteilungsführer, Zugführer und Truppführer näher bekannt. Unsere Abteilung bestand aus 3 Zügen welche durch Hptm. Küsgen befehligt wurde. Den 1. Zug führte Ltn. Taut. Den 2. Ltn. Kessler und den 3. Viezewachtmstr. Betzel. In dem 3. Zug war ich dem 2. Bautrupp zugeteilt. In Wadern erhielt ich ferner die Erkennungsmarke Nr. 99. Während der vier Tage, welche wir dort weilten, wurde die Zeit mit Übungsbauten, Depotarbeiten und Fahrübungen ausgefüllt. Letztere gestalteten sich sehr interessant da die Pferde, aus Bauernpferde bestehend nicht „eingefahren“ waren. Es war manchmal sehr spaßig zu sehen wie die Pferde trotz heftigen Schlagens nicht fort zu bringen waren. Wann das Kommando „Halt“ ertönte, standen manche Fahrzeuge quer auf der Straße.

Am 12. Aug. vormittag marschierte die Abtlg. nach Merzig (Kreis Trier). Dort erfuhren wir den 1. Seig über die Franzosen bei Sennheim (Mühlhausen). Nach 2 Tagen rückten wir in der Frühe des 15. Aug. nach Palzem a. d. Mosel. In einer Instruktionsstunde wurde uns gesagt daß wir zur 4. Armee gehören, welche durch Sr. Kgl. Hoheit Herzig Albrecht v. Württemberg befehligt wird. Am 18. August um 8 Uhr vorm. überschritten wir die Mosel, welche hier die Grenze von Luxemburg bildet. In Remich bezogen wir Quartier.

In der Frühe des 19. Aug.  marschierten wir daselbst ab mit dem Ziel der Stadt Luxemburg welche wir um 11 Uhr vorm. erreichten. Als Quartier diente uns ein stillgelegter Fabrikbetrieb (Eisengießerei). In Luxemburg machte ich meinen ersten Stationsdienst auf dem General Kommando. Die Bewohner dieses neutralen Staates zeigten den durchziehenden Truppen durchweg ein freundliches Gesicht. Obwohl nur 30000 Einwohner macht die Stadt einen großstädtischen Eindruck. Unter den schönen Gebäuden der Stadt fällt besonders das Großherzogliche Schloß auf. Besonders erwähnenswert ist eine große Brücke, welche mit einem Bogen ein Tal überspannt.

Um wieder zu der Abtlg. zurückzukehren möchte ich noch Einiges erwähnen. Das Unterbringen der Pferde war ziemlich schwierig. Die an solche „Ställe“ nicht gewohnten Pferde schlugen aus und richteten allerlei an. So trat das Pferd des Zugführers eine schwere Gußform, woran es gestanden war, zum Staunen Aller in die Höhe. Mit der Verpflegung war es nicht besonders bestellt und da gehlte [sic!] man einfach 1,40 Mk aus. Die Gelegenheit in der Stadt zu essen nutzten viele aus, sich Privatquartier zu suchen. Die wenigen Stunden in der Nacht, welche ich frei hatte verbrachte ich auf einer Schulbank schlafend in der Höhe des Apparats. Der am nächsten Tag (20.8.) erfolgte Marsch brachte uns nach Redingen woselbst wir Quartier bezogen. Es sind dies von Luxemburg 32 km; Eintreffen daselbst Nachmittags. Die Einquartierung fast immer truppweise war ohne Verpflegung. Das Absprechen für die ganze Abtlg. ging nicht so rasch und beim Befehlsempfang wurde das Essen auf 9 Uhr abds. angesetzt. Es ist aber doch 10 Uhr geworden bis wir das gutschmeckende Essen bekommen welches aus Konservenfleisch, Rüben und „Allerlei“ bestand. Daß die Wenigsten solange warteten und Wirtschaften und Metzgereien auskauften läßt sich bei dem leeren Magen denken. Der Befehl des Antretens am andern Morgen wurde nicht mehr, denn schon um Mitternacht wurden wir aus dem schönen Schlaf geweckt. Mit dem 1. Zug marschierten unser (3.) Zug um1 Uhr nachts ab, unbewußt wohin. Es ging in fast stetem Trab schnell vorwärts. Die Nacht war sehr finster und das Pferd meines Truppführers scheute, sodaß es auf einmal das Tempo eines Rennpferdes einschlug und seines Reiters spottend an den Wagen vorrüber fegte. Unser Weg führte uns dicht an die Grenze von Belgien. Es war am 21. August als wir in dem Grenzort Rombach um 8 ½ Uhr früh Rast machen. Hier verblieb der 1. Zug und der 3. Zug marschierte über Martelange nach Fauxvillier [Feitweiler?]. Von hier aus wo das General Kommando war hatten wir eine Leitung zur 25. Reserve Division zu bauen nach Anglier. Unsere Ltg. war, wie befohlen um 12 Uhr Mittags fertig aber der Div. Stab ließ noch bis drei Uhr auf sich warten. Diese Zeit gab uns Gelegenheit der durstigen Infanterie, welche in endlosen Kolonnen an uns vorrüber zog Wasser zu geben. Diese armen Kerle litten sehr unter der Hitze. In dem Hause wo unsere Station und der Div. Stab ruhete war der Keller voll Ia Rotwein. Wir sprechen natürlich dem edlen Tropfen fest zu und machten gerne, ohne Ablösung  zu wollen, die ganze Nacht stets Dienst. Um 9 Uhr vorm. des nächsten Tages (22.) bauten wir die Leitung wieder ab. Nach kurzer Rast in Fauxvillier setzte sich unsere Abtlg. in Marsch in der Richtung Neufchateau [Neufchâteau]. Das konnten wir aber wegen der in dieser Gegend stattfindenden Schlacht nicht erreichen. Wir machten Rast auf einer Wiese rechts der Straße wo sich allmählich die ganze Abtlg. einfand. Vor uns weilete die Schlacht und gegen Abend sprengte ein Feldgendarm heran mit der Meldung: Feindl. Kav. Div. im Anmarsch. Es entstand eine Verwirrung bis uns jemand zum „Ausschärmten“ kommandierte. Aber war je grundlos und so suchten wir eiligst unsere Wagen auf und im Trab ging es zurück zwischen Bäcker und Mun. Kol. Die Straße war so mit Fahrzeugen aller Art überfüllt, so daß ein Bauwagen in den Graben geriet, ein Rad brach und umschlug. Die Telegraphisten dieses Wagens suchten nun Platz auf den andern Fahrzeugen. Hierbei blieb auch das Pferd des Fahrers Schütz zurück mit Satteltaschen u. dsgl. Was aus ihm wurde weiß ich nicht. Dieses Zurückgehen war ganz ohne jede Ordnung denn von hinten wurde „Halt“ von vorn „Trab“ geschrien. Endlich erreichten wir eine Wegegabel welche wir benutzten aus diesem Durcheinander zu kommen. Es wurde nunmehr Nacht und wir hatten ungefähr ½ Std. gewartet als das Auto unseres Hptm. Scheubg. mit dem Befehl kam nach Longlier zu marschieren. Dies lag in Richtung auf Neuf-chateau [Neufchâteau]. Hier möchte ich noch hinzufügen daß viele Autos mit deutschen Verwundeten von der Front kamen und auch später wir die ersten deutschen Toten sehen. Auch sehen wir viele franz. Gefangene.

Wir erreichten dann endlich um 11 Uhr nachts Longier. Welches Bild bot sich uns? Alle Häuser waren in rauchende Trümmer verwandelt. Wir machten auf dem bahnhofähnlichen Platz Halt und verbrachten die Nacht bei den Feuern welche wir uns anzündeten. Neben uns lagen auf dem Platz das 81. Inf. Reg. Wir erfuhren von diesen, daß besonders das II. Batl. große Verluste hatte. Auch kamen dort eine große Zahl franz. Gefangene durch. Auf die andere Straßenseite lag in einem verschont gebliebenen Gebäude der Stab unseres Gen. Kdo. Am 23. August marschierten. wir von 12 Uhr dort ab über das Schlachtfeld nach Neuf-chateau [Neufchâteau]. Der Anblick war fürchterlich. Auf den Feldern, im Straßengraben und auf der Straße lag alles voller Leichen und Pferdekadaver. Es war schrecklich der Anblick der manchmal sehr verstümmelten Leichen. In allen möglichen Lagen hatten unsere braven Infanteristen ihr Leben ausgehaucht. Dazu kam noch das Durcheinander da auf dem Straßendamm vorn. Zerbrochene französischen Mun. Wagen und Fahrzeuge aller Art wurden in der Eile von uns etwas an die Seite geschleift damit unsere Kolonnen durchgeführt u. rasch der Truppe folgen konnten. Der Ort selbst sah nicht besser aus. Unsere Granaten hatten das Ihrige an den Häusern getan. Selten traf man ein noch gut erhaltenes Haus an. Die Bevölkerung war natürlich längst nicht mehr da. Sie war geflüchtet sowie die Kolonialtruppen auf die Frankreich große Hoffnungen setzte. Nicht minder schrecklich war auch der Anblick der toten Franzosen, welche in großen Mengen auf den Feldern lagen. Gegen Abend erhielten wir den Befehl des Gen. Kdo. mit 21. Res. Div. zu verbinden. Das Gen. Kdo. hatte sich als Quartier ein noch gutes Haus ersehen, welches abseits der Straße etwas am Ort entfernt lag.

Es diente bis dahin als Lazarett und wurde sofort geräumt. Es war gegen 8 Uhr abds als wir mit dem Bau der Ltg. begannen. Mittelst Tragbauten vor von dem Haus quer durchs Feld zur Straße. Der 5 km lange Bau sollte um 9 Uhr beendet sein und bei den vielen Windungen der Straße verzögerte sich die Fertigstellung. Es wurde dunkel und erschwerte den Bau noch mehr. Aber bei uns anwesende Zugführer Wachtmstr. Betzel kommandiert im Trab zu bauen. Wir konnten dann uns noch das Kabel in den Straßengraben legen dabei manchmal über Tote stolpernd. Wie schon erwähnt wurde durch die Windungen der Straße das Kabel immer wieder auf die Mitte der Straße gezogen. Wir wußten alle daß unsere Arbeit zwecklos war, mußten aber dem Befehl d. Wachtmstrs. nachkommen. Die uns folgenden Kolonnen zerrissen oder zerfuhren unser Kabel und so erreichten wir endlich gegen 11 Uhr unsere Endstation Strainont wo sich der Div. Stab 21. Res. Div. befand. Die Früchte unserer Hast zeigten sich, als wir die Stat. erreicht hatten, es war keine Verständigung vorhanden. Es wurden sofort einige Leute als Leitungstrupp abgesendet, welche aber nicht den Fehler behoben, da schon um 3 Uhr nachts der Befehl zum Rückbau der Leitung kam. Unser Kamerad Weiener hatte das Glück in einem Haus eine sehr fette Kochwurst zu finden und mit einem Brocken Brot stillte dieselbe unsern Heißhunger, dazu unseren Rotwein aus der Feldflasche trinkend. Mit Wachestehen bei den Fahrzeugen verstrich die Zeit bis 3 Uhr sehr rasch und wir bauten wieder ab. Brauchten aber die ganze Ltg. nicht ab zu bauten, da ein anderer Trupp uns von der Anfangsstation entgegen kam. Wieder in Neuf-chateau [Neufchâteau] angelangt sehen wir in einer Scheune einen Belgier erhängt, was nicht gerade erhebend auf uns wirkte. Auf dem Platz wo wir Halt machten und sich die Abtlg. sammelte lag eine Unmenge frz. Waffen und Ausrüstungsstücke. Es war für uns von Interesse darin zu suchen was uns ein Bild gab von der Ausrüstung der franz. Truppen. Besonders waren die Seitengewehre begehrt, da sie nicht aus einer flachen Klinge, sondern aus einer vierkantigen Klinge bestanden welches den Zweck hat eine möglichst schwere Wunde zu verursachen. Die Gewehre (Magazingewehre) waren alle unbrauchbar gemacht werden durch Abschlagen d. Schaftes. Wir konnten von diesem ganzen Plunder nichts verwenden höchstens ein Andenken mitnehmen. Nach etwa ½ stündigem Aufenthalt marschierte unsere Abtlg. auf der selben Strecke über Straimont-Lacoisine [Lacuisine] nach Florenville. Um 3 Uhr nachmittags machten wir vor dem Ort halt. Hier hatten wir Gelegenheit zum Abkochen und die Hühnersuppe war vorzüglich, das Fleisch dagegen zäh wie Juchtenleder. Wir blieben die ganze Nacht auf der Straße vor dem Ort und der Straßengraben war unsere Lagerstätte. In einem Hause, welches unmittelbar an unserem Halteplatz stand und alles Mobiliar zerschlagen war schimpfte die später zurück gekehrte Besitzerin und stellte uns als die Schuldigen da obwohl wir versicherten daß es die Franzosen waren. In der Frühe des 25. Aug. setzte sich unsere Abtlg. in Marsch durch Florenville und überschritt um 10 Uhr vormittags die belg.-franz. Grenze und machten Rest in Tremblois [Tremblois-lès-Carignan] wo wir biwakierten. Besonders schwierig war das Wasserholen. In einem kl. Tal schöpften wir mit Trinkbecher unser Kochgeschirr voll Lehmwasser aus den Gräben welche die Wiesen durchzogen. Als ich dort Wache stand, ertönte, als alles in tiefem Schlaf lag aus einem Zelt Hilferufe, was sofort die ganze Abtlg. und ein dicht daneben liegendes Batl. Infanterie alarmierte. Was war es? Ein Telegraphist hatte geträumt. Viel Lärm um nichts! In der Frühe des andern Tag marschierte ein Zug unserer Abtlg. ab während wir noch bis gegen Mittag dort verblieben. Als des Mittags unser Zug nach Les deux Villes marschiert wurde ich als Radfahrer vorgeschickt um bei unserem Hptm. Befehl zu holen wohin wir marschieren sollten. Unser Weg führte uns durch Carignan nach Blagny. Dort fanden wir unsern Hptm. und es gab Befehl nach Sailly zu marschieren. Bei Carignan hatten die zurückgehenden Franzosen die Brücke gesprengt da wir mußten über eine schmale Brücke welche obwohl auch ein Loch noch tragfähig war. Der zu überschreitende Fluß war eine Nebenfluß der Maas-La Chiers. Carignan ist ein sehr sauberes Städtchen mit vielen Geschäften. Auf dem Rückweg zur Abtlg. haben wir Offz. Harder u. ich von dem schmackhaften Essen der Feldküchen Gebrauch gemacht. Wir marschierten nach Sailly, woselbst wir am Abend auf einem freien Platz hinter der Straße Quartier bezogen. Es regnete in Strömen, unsere Fahrer hatten sich in dem Ort einquartiert. Den ganzen Abend dauert der Kanonendonner an.

Am 27. Aug. hatte ich Stat. Dienst auf dem Gen Kdo. Um 600 vorm. marschierten wir durch den Ort und zwischen 21. und 25. Res. Div. nach Mouzon woselbst wir um 830 vorm. die Maas überschritten da die Franzosen alle Brücken zerstört hatten, war durch unsere Pioniere eine Pontonbrücke geschlagen worden. In dem Dorf wurde ein kurzes Halt gemacht was uns Gelegenheit gab in den Kellern der eingestürzten Häuser Wein zu requirieren.

Mouzon selbst, machte den Eindruck eines sehr schmutzigen verwahrlosten Dorfes. Die Straßen waren links und rechts mit Mist und Jauche eingefaßt. Man mußte sich auf dem Geröll der eingestürzten Häuser Eingang verschaffen. Am Ausgang des Ortes bezog das General Kommando seinen Standort. Rechts der Straße war ein Friedhof woselbst die 21. Res. Div. lag, sodaß wir gerade zwischen beiden Stäben lagen. In der Nähe des Ortes fanden unsere Truppe ein franz. Granat und Schrappnellager welches unschädlich gemacht wurde, indem wir alles in die Maas versenkten. Links vor uns über der Straße gewährte uns eine Höhe einen guten Überblick über das Aufmarschieren unsrer Truppen. Kaum waren dieselben oben, als auch schon die franz. Artillerie drauf feuerte. Zuerst mit Schrapnell u. dann mit Granaten welche an dem schwarzen Rauch gut erkennbar waren. Hierbei hatten die Franzosen einen Volltreffer in die, unweit vor uns liegende Sanitätskompagnie. Von dem General-Kdo. aus wurden Ostertag u. ich als Leitungstrupp zur 25. Res. Div. geschickt. Das Flicken des Kabels nahm ziemlich viel Zeit in Anspruch, da es an sehr vielen Stellen zerschossen war. Des starken Art. Feuers wegen konnten wir aber die Störung nicht beheben. Unser Gen. Kdo. mußte sich am Abend wieder in den Ort zurückziehen auf die andere Seite der Maas. In der Dunkelheit baute ich, noch mit einigen Leuten anderer Trupps die Leitung zum Gen. Kdo. Als die Stat. errichtet war, suchte ich lange nach unsrer Abtlg. welche sich schließlich auf einem Platz biwakierend fand. Am andern Tag, 29. Aug. hatten wir einen kl. Leitungsbau von uns 3 km in das Dorf Pourron, Stab 21. Res. Div. Auch dort biwakierten wir nachdem wir vorher noch 1 Schwein geschlachtet hatten, von dem der größte Teil liegen blieb. Alle Häuser dieses Ortes waren dicht mit Verwundeten gefüllt. Auch trafen wir dort die Fernsprecher des 18. A.K.

Am andern Tag, nachdem 2 Mann unseres Trupps dort blieben, marschierten wir nach Stonnes [Stonne]. Von dort aus bauten wir um 5 Uhr nachm. eine Leitung nach La Celliere [La Berlière?]. Ankunft 630 nachm. An dem Tag war es sehr heiß und wir hatten sehr unter Durst zu leiden. Der Bau ging ziemlich flott von statten und die Verständigung war eine gute. Station wurde in einem Schloß errichtet, woselbst auch das Gen. Kdo. war. Gleich nach Beendigung d. Baues bot uns die Feldküche eines Inf. Reg. ihr Essen an wovon wir natürlich ausgiebig Gebrauch machten. An demselben Tag bezogen wir hinter dem Schloß Biwak, mußten aber am andern Tag mit einem Platz vor dem Schloß, rechts der Straße, wechseln. Das Schloß machte einen ehr altvornehmen Eindruck. Mit vielen Nebengebäuden, welche noch Raum für die Feldpost boten, einen schönen Park erinnerte es doch an frühere Zeiten und ließen erkennen daß es einem sehr reichen Herrn gehören mußte. In La Celliere [La Berlière?] erfreuten wir uns nicht lange der Ruhe, denn am Nachm. hatten scheinbar die Franzosen den Generalstab dort entdeckt und feuerten feste nach uns. Die Folge war, daß unsre Fahrzeuge, stets marschbereit, aus diesem Feuer zu entkommen suchten. Ich war auf Stat. und, als Störungssuche eingeteilt, hätte ich daselbst bleiben müssen. Als die Granaten immer näher kamen, wollte ich meine Apparate zu den Wagen bringen aber die waren längst weg. Ich ging einige Minuten die Straße nach fand aber nichts und kehrte, das Feuer ließ inzwischen wieder nach, zur Stat. zurück. Gegen Abend fand sich unsere Abtlg., welche in dem Wirrwarr ganz auseinander geraten war, wieder auf dem alten Platz ein, woselbst wir noch bis 1. Sept. blieben. Am Nachm. bauten wir unsre Ltg. wieder ab zur 25. Res. Div. welche auf einer Höhe 194 gestanden war. Wir legten unseren Helm und Seitengewehr ab und bauten ab ohne uns im Krieg zu wähnen.

Die große Hitze hatte uns dazu veranlaßt und vor Durst klebten die Zungen am Gaumen. Besonders unseren Kamerad Kreuser rann d. Schweiß aus allen Poren; er hatte ja auch, als es quer durch ein Tal ging die immer schwerer werdende Trommel zu tragen. Um sich dies einigermaßen zu erleichtern ging er einige Meter vor und legte sich dann, während wir aufkurbelten auf seinen dicken speckigen Bauch. Das mit dem Aufkurbeln verbundene „Schlagen“ der Trommel teilte sich auch einer regellosen Speckmasse mit und als aller Mund erschallte: „Stußß e mol!“ Als der Rückbau beendet war ging es wieder zurück nach La Cerliere [La Berlière?]. Bei der großen Hitze verbreiteten dich vielen auf den Feldern liegenden Pferdekadaver einen unausstehlichen Geruch. In der Frühe des 2. September 600 mrgs. setzte sich unsre Abtlg. in Marsch nach Grandprè. Der Weg führte uns durch Authe nach Germont, woselbst wir an der Straße nach Briquenay Halt machten. Als wir dort nach kurzer Rast die Pferde getränkt hatten, das Wasser mußten wir ziemlich weit holen, wurde ich als Radfahrer von meinem Trupp geholt. Ich blieb mit Hptm. Schulz in Germont Anschaltstation bis die Leitung nach Grandprè fertig war. Gegen Abend folgte ich unserer Abteilung und kam gerade dazu als eine Schwadron Kavallerie unser Kabel zerriß. Ich stellte wieder die Verbindung her und in Briquenay angekommen schickte mich unser Hptm. nach Brieulles [Brieulles-sur-Bar] woselbst das Gen. Kdo. 18. Res. Korps war aber inzwischen auch diesen Ort verlassen hat. Ich hatte mich auf dieser Station als Leitungstrupp zu melden und hatte das zweifelhafte Vergnügen während der Nacht mehrmals die Leitung zu flicken. Um 4 Uhr morgens mußte ich wieder von dort weg um nicht mehr zurückzukommen. Zuerst möchte ich noch bemerken daß Brieulles [Brieulles-sur-Bar] nur noch ein rauchender Trümmerhaufen war. Es war ein wunderschöner Morgen, als ich mit Apparat und Drahtgabel ausgerüstet mich aufs Fahrrad setzte und in gemütlichem Tempo die Leitung entlang fuhr. Die Leitung war an sehr vielen Stellen gestört, war mich auch weiter nicht Wunder nahm. Kolonnen aller Art belebten die Straßen und die Leitung welche doch ziemlich flüchtig gebaut war, wurde umgerissen oder überfahren. Kurz vor Briquenay mußte ich Ltn. Kessler noch mein Rad abtreten und er sagte ich solle nur nach Grandprè gehen wo unsre Abteilung wäre. Die Leitung, welche inzwischen nicht mehr gebraucht wurde brauchte ich nicht mehr nachsehen denn sie wurde abgebaut. Ich hatte keine Lust in der Hitze zu Fuß diesen Weg zu machen und setzte mich auf den Protzkasten einer vorbeifahrenden Artillerie Mun. Kol. Gegen Mittag traf ich dann hungrig und durstig in Grandprè ein. Aber schon man ich zu spät; unser Zug war schon längst wieder fort in Richtung Vouziers. Ich schloß mich dann dem Trupp des UOffz. Ruben an welcher dort die Vermittlungsstation zu bedienen hatte. Grandprè hatte noch wenig von den Granaten u.s.w. verspürt denn der Ort war sehr wenig zerstört. Auch hatten sich die Zivilisten dort ziemlich zahlreich aufgehalten. Trupp Ruben hatte sich bei einem Klempner einquartiert und diese Leute welche sich sehr ängstlich gegen uns benehmen, stellen Küche u. Kochgeräte zur Verfügung. In Grandprè fanden sich noch ungeheure Vorräte an Wein und Eßbarem. So fanden der Trupp Ruben eine große Menge eingelegter Eier die uns noch langer Entbehrung vortrefflich schmeckten. Unsere Station, welche sich auf dem Vorplatz in einem Schloß befand diente vorerst noch unserem Gen. Kdo. welches aber am nächsten Tage abrückte und dann war es nur noch Vermittlung auf der Strecke Vouziers (A.O.K.) und Haus (18. R.K.).

Das Schloß selbst, auf einer Höhe stehend machte mit seinen alten massiven Mauern einen vornehmen Eindruck. Es mußte einem sehr reichen Herrn gehört haben, was aus der Einrichtung und den vielen Nebengebäuden zu ersehen war. Prachtvolles Möbel stand in den Zimmern und eine schöne Bibliothek war auch vorhanden. In dienstfreier Zeit war es für mich ein Vergnügen darin zu stöbern und erfreute mich an den schönen Einbänden. In der Frühe des andern Tages rückte das Gen. Kdo. ab und wir blieben noch dort. Ich war fast den ganzen Tag allein in dem Schloß und quartierte mich dann in eins der Zimmer welches vorher einem Generalstabsoffizier diente. Seit langer Zeit konnte ich mich wieder einmal der Kleider entledigen und ich schlief in dem weichen Bett großartig. Am 5. Sept. um 10 Uhr früh, begannen wir die Leitung nach Autry abzubauen. Wer ahnte damals, daß ich noch später einmal auf so lange Zeit dort hin käme?

In Autry angekommen mußten wir unserer Abtlg. nachfahren was ein richtiges Hin- und Hersuchen der richtigen Straße erforderte denn die Truppführer unserer Abtlg. waren noch nicht mit Karten ausgerüstet. Wir fuhren, fast unwissend wohin, auf fast immer ganz leeren Straßen nach Süden. Endlich erreichten wir nun Mitternacht die andern Teile des 1. Zuges welche bereits in einer Scheune Quartier hatten und durch unsere Ankunft in ihrem schönen Schlaf gestört wurden. Ein sonderbarer Zufall war es daß auch der Zugführer des 3. Zuges hier war während Ltn. Taut bei dem 3. Zug war. Nicht lange schliefen wir hier denn schon um 3 Uhr Morgens ging unsere Reise weiter. Immer nach Süden. Ich war der Einzige des 3. Zuges welcher bei dem 1. Zug war und so kam es, daß ich bald von einem Fahrzeug auf das andere geschoben wurden denn es hatte doch jeder seinen Platz. Schließlich wurde ich auf dem Platz auf dem Wassereimer nicht mehr gestört. Wenn auch unbequem so war doch schlecht gefahren besser als gut gelaufen. So trafen wir dann nach langer Fahrt in Charmont ein, wo dieser Zug wieder mit dem Bau einer Ltg. begann. Durch ein Radfahrer erfuhr ich, daß unsere Abtlg. hier vorbei käme und in der Hoffnung wieder zu meinem Zug zu kommen, blieb ich dort. Aber diese Hoffnung wurde nicht wahr denn unsere Abtlg. hatte einen anderen Weg genommen und bereits in Bettancourt [Bettancourt-la-Longue] Ruhe gemacht. Dort war auch unser Gen. Kdo. Ich entschloß mich, diesen Weg zu Fuß zu machen und fand dann auch in einer Ferme wieder meinen Trupp. Ich war froh, wieder bei meinen Bekannten zu sein. In dieser Ferme waren ein älterer Bewohner und wir haben unseren Hunger an dem dort vorfindbaren gestillt. Schlechte Wasserverhältnisse wie schon so oft, fanden wir auch. Ganz in der Nähe von Bettancourt wütete der heftige Kampf um den Rhein-Marne-Kanal. Am 8. Sept. 815 vorm. rückte unsere Abtlg. durch den Ort, durch Rancourt [Rancourt-sur-Ornain] auf die Straße nach Revigny [Revigny-sur-Ornain]. Wir machten auf der Straße kurz vor Revigny, da wo die Eisenbahn die Straße kreuzt, Halt und blieben dort bis gegen Abend. Von der Straße aus konnten wir das ganz naheliegende Revigny in Flammen sehen. Besonders bot der brennende Kirchturm ein schmerzlich schönes Bild. Gegen Abend machten wir Kehrt und in Rancourt errichteten wir Station im Schulhaus. Aber bei den vielen Truppenbewegungen waren fast die ganze Nacht die Leitungen gestört. So mußten 4 Leute unseres Trupps auf Störung suchen. Weiand und Drechsler wurden im Auto ein Stück Wegs der 25. Res. Div. entgegengebracht. Lohmann und ich waren als Störungssucher dreimal der Leitung zur 21. Res. Div. Die Nacht war mondhell und so konnten wir die Fahrräder benutzen. Am schlimmsten war es als wir des Morgens gegen 400 „los“ mußten. Es ging zuerst ohne viel Hindernisse, als wir aber uns dem Kanal näherten wurde die Sache immer schwieriger. Der Ort am Kanal Sermaize [Sermaize-les-Bains] bot ein trostloses Bild. Die Trümmer der Häuser versperrten alle Straßen und die vielen Fabriken, darunter eine große Zuckerfabrik waren mit sämtl. Maschinen total vernichtet. Durch den Ort durchzukommen war gänzlich ausgeschlossen. Auch die Kirche war dem Erdboden gleich, und der Altar war unversehrt. Noch schrecklicher als das Bild dieses ruinierten Ortes war der Anblick der vielen toten Franzosen. Im dichten Knäuel lagen sie links und rechts der Straßen und an den Böschungen. Auch in einem Nebenwasser des Kanals lagen die toten, starren Leiber in allen Stellungen. Wir konnten manchmal nicht feststellen, ob diese Toten der schwarzen Rasse angehörten so entstellt war das Gesicht und mit Blut bespritzt. Wir mußten unseren Weg durch einen Friedhof nehmen. Der Eingang war ja leicht aber einen Ausgang fanden wir nicht und so mußten wir mit Gerät und Fahrräder eine Mauer überklettern. Zuerst mußten die Fahrräder hinüber und da auf der anderen Seite stehende niedrige Gehölz ließ sie einigermaßen weich fallen. Mit vieler Mühe gelangten wir durch das Gehölz wieder zur Straße und flott ging es weiter nach Andernay. Dort war sonderbarer Weise kein Soldat und die Zivilisten bilden auf der ganz leeren Straße Spalier. In steter Schußbereitschaft den Karabiner haltend fanden wir endlich hinter dem Dorf die Störung. Es war dicht um einen Mast durchgeschnitten. Als wird es wieder geflickt hatten ging es diesen grauenvollen Weg wieder zur Station zurück. Den Vormittag hatten wir Gelegenheit zum Kochen und bei warmem Wetter auf zum Baden. Übernachtet haben wir in einem Hause wo gerade die Dragoner ausrücken mußten. Sie waren gerade am Brotbacken und mußten es halbfertig liegen lassen. Unser Kamerad Schneider verstand es und backte uns ein gutes Brot um das uns die anderen beneideten.

Am 10.9. erhielten wir am Nachm. den Befehl zum Bau der Ltg: Rancourt – Vroil – Nettaucourt. Wir blieben daselbst bis zum andern Tag und hatten dann das Vergnügen dieselbe Ltg. wieder abzubauen. Dies war ein gewohntes Stück denn der Feind war uns tüchtig auf den Fersen. Unsere Art. hatte zwischen Rancourt u. Vroil schon wieder Stellung genommen und kurz vor Vroil war auch unsere Inf. und richtete ihre Schützengräben her. Von einem Kavallerieposten wurden wir angehalten und uns gesagt daß wir uns auf eigene Gefahr hin gehen könnten. Es war ja auch ein sehr gewagtes Unternehmen ohne jede Deckung mit den schwerfälligen Bauwagen dem Feind entgegen zu fahren. Wir errichteten noch gut die Wegegabel nach Bettancourt als es uns doch zu brenzlich wurde und wir von dort den Rückbau begannen. In Rancourt konnten wir an dem höhnischen Lachen der Bevölkerung ihre Freude über unseren Rückzug erkennen. Ein strömender Regen durchnäßte uns ganz und erschwerte die Rückkehr welche gegen Abend beendet war. In einer Scheune hatten wir uns ein Lager gemacht und gegen 10 Uhr morgens brechen wir wieder vom Dorf auf nach La Neuville aux bois. Es war gegen Mittag als wir diesen Ort erreichten und den Befehl erhielten zum A.O.K. zu bauen. Von La Neuville aux bois bis Espense sollte ein anderer Trupp bauen und wir von dort nach Dampierre le chateau, wo das A.O.K. sein sollte. Wir hatten schon einige Kilometer gebaut als wir durch Herrn Hptm. Schulz den Befehl erhielten wieder ab zu bauen da der Feind uns auf den Fersen war. Aber ganz konnten wir den Rückbau nicht ausführen denn schon ließ uns die Feldwache nicht mehr zurück. Wir waren also ganz von der Abtlg. abgeschnitten und irrten umher nicht zu wissen wohin wir sollten. Auch auf Erkundigungen konnten wir nicht erfahren wo sich unser Gen. Kdo. befand. Als es schon sehr zu dunkeln anfing suchen wir endlich auf einer Straße eine Bagage. Wir fuhren darauf zu und zu unserem Glück war es die große Bagage unseres Korps. Wir schlossen uns sofort derselben an. Ein feiner Regen wurde immer stärker und der noch dazu kommende Wind machte uns das Fahren durchaus nicht angenehm. Alle Zeltbahnen und Mäntel nutzten aber nichts und so waren wir bald total durchnäßt. Wir kamen so, immer mit der Bagage fahrend durch verschiedene Orte, darunter auch St. Menehould. Wir kannten das Ziel der Bagage nicht und als es uns doch zu bunt wurde rangierten wir des Nachts um 1 Uhr aus. Nun galts in dem Dunkel einen Stall für die Pferde und auch ein Lager für uns zu suchen. Ein Pferdestall hatten wir bald gefunden und die Schafe, welche vorher drin waren, flüchteten sich ängstlich in eine Ecke desselben. Eine Scheuen fand sich auch bald für uns und wie wir waren, blos ohne Stiefel, krochen wir tief in das Kleeheu und nach festem Schlaf erwachten wir als es schön längst Tag war. Nun wechselten wir erst unsere Wäsche, welche schon zum großen Teil am Körper getrocknet war; erfuhren nun auch bald den Namen des Orts: Berzieux. Ganz in unserer Nähe hatte eine Sanitäts-Kompagnie schon ihre Erbsensuppe gekocht und sie gab an uns auch ab; o wie gut hatte sie geschmeckt. Als wir wieder alles gepackt hatten, machten wir kehrt und fuhren zum nächsten Ort wieder zurück, denn inzwischen hatten wir erfahren, daß dort unser Gen. Kdo. ist. Des Mittags erreichten wir La Neuville am Pont. Nicht allein wir, sondern auch unser Kdo. war froh als wir uns wieder einfanden denn schon wähnten sie uns in Feindeshand. Kaum waren wir dort so erhielten wir auch schon den Befehl zum Abmarsch; konnten aber noch schnell zu Mittag essen. Um 2 Uhr marschierte unsere Abtlg. mit dem Gen. Kdo. und der Feldpost nach Vienne la Ville und von dort nach St. Thomas. Dort hielten wir einige Zeit und am Abend ging es wieder nach Vienne la Ville zurück. Im Schulsaal machten wir uns ein Strohlager und kaum hatte ich etwas geschlafen als man mich zum Stationsdienst auf das Gen. Kdo. holte, wo ich bis gegen 8 Uhr früh blieb als unsere Abtlg. schon wieder bereit zum Abmarsch stand.

Wir marschierten am 14. Sept. vorm. ab und kamen gegen Mittag in Binarville an, wo wir den Bau der Leitung nach Autry begannen. Die Straße war durch die vielen Mun. Kol. belegt und so gestaltete sich unser Bau ziemlich schwierig, morgens auch noch der Regen half. Am Nachm. konnten wir Station errichten in Autry wo unser Gen. Kdo. war. Unser Truppführer blieb noch den ganzen Abend auf Station, während wir uns ein Quartier suchten und uns dort einrichteten. Gegenüber unseres Hauses in Scheune hatten unsere Fahrer ihre Pferde sehr gut untergebracht und auch wir krochen dort des nachts in der Stroh. Unser Truppführer erzählte uns dann, daß er aus den Gesprächen des Generalstabschefs herausfand daß unsere Armee Anschluß an 3. und 5. Armee nahm um so den Kampf besser durchführen zu können.

Am 15. Sept. hatten wir den Befehl erhalten uns marschbereit zu halten und so standen die Pferde den ganzen Tag geschirrt da, und wurden erst gegen Abend wieder abgeschirrt. Immer mehr Verwundete, (meistenteils leichtverwundete) kamen nach Autry und in mehreren Häusern waren Lazarette errichtet. Immer mehr wurde der Kampfplatz zu einem Befestigungsplatz wo immer die Truppen ihr Schanzen vervollständigen. Es ereignete sich somit wenig auf dem Kampfplatz und unser Stationsdienst verlief ganz regelmäßig. Einige Stunden Dienst und dann wieder mehrere frei.

Am 26. Sept. früh um 7 Uhr wurden wir alarmiert, da unser Korps ein Angriff versuchte. Es gelang auch der 31. und 25. Res. Div. vorwärts zu kommen und so mußten auch wir um den Anschluß nicht zu verlieren in unsere alten Stellungen. Am Abend desselben Tages bekamen wir die ersten Liebesgaben aus Wiesbaden vom Roten Kreuz (Schloß Mittelbau). Sehr reichlich waren sie ausgefallen. Zu dieser Zeit hatte unsere Abteilung auch 2 Verluste durch eine Granate. Es waren der Telegr. Henne und der Fahrer Nicke welche auf diese Weise ihr Leben hergeben mußten.

Am 26. besuchte unser Kronprinz das hiesige General Kommando und kam auch die folgenden Tage. Es wurden viele Truppenverschiebungen vorgenommen und wir erhielten als Armee-Kommandeur Sr. Kais. Hoheit den Kronprinzen. Damit hat sich auch die Nummer geändert, es ist jetzt 5. Armee. Am 6. Oktober mußte ich mit mehreren Kameraden Artillerie-Stellungen besetzen. Der Beobachter saß in den vordersten Stellungen im Bois de ville, weiter rückwärts standen unsere Feld Art, wo ebenfalls 2 Mann blieben, während ich am weitesten rückwärts zur schweren Art. ging. In der Nacht gegen 12 Uhr setzte ein heftiges Granatfeuer ein und der Raum zwischen der l. u. schw. Art. wurde tüchtig befunkt, ohne Schaden an zu richten. Daß auch meine Verbindung zur l. Art. gestört wurde nimmt mich weiter nicht Wunder. Um 2 Uhr nachts rückte die schwere Art. ab und ich blieb allein im Unterstand bis es Tag wurde wo ich meine Kameraden wieder aufsuchte. Alle Art. war abgerückt und wir brauchten doch nicht mehr die Stat. zu besetzen, nahmen unsere Apparate und marschierten heimwärts. Aber 2 fehlten noch: Lohmann u. Drechsler welche beim Beobachter saßen und vergeblich uns „anriefen“. Als wir unserem Abtlgs. Führer unser Tun meldeten, bekamen wir noch eine „Armee Zigarre“ mit dem Bescheid zu warten bis er nach „vorn“ käme. Auf dem Bahnhalteplatz Cernay trafen wir alle wieder und in größter Hitze, schwer mit Apparaten bepackt ging es nach Autry wo sich alles in Wohlgefallen auflöste. Nun wieder einige Tage Stationsdienst in Autry und dann ging es wieder auf eine Feld Station nach La mare aux beufs [La Mare aux Bœufs] diese Feldstation war aber sehr einfach. Zeltbahn an 4 Enden aufgespannt schon war die Fernsprech-Station fertig. Etwas eingenickt am Abend wurde ich wieder durch heftiges Feuer geweckt welches aber bald nachließ als unsere Art. einige Granaten hinübersandte.

Am späten Nachmittag des anderen Tages werde ich Leitung abgebaut und zurück nach Conde les Autry wo ich noch einen Teilnehmeranschluß zum Artillerie Kommandeur baute. Nach Fertigstellung desselben ging ich wieder nach Autry zu meinem Trupp. Es war am 10. Oktober 10 Uhr als ich dort wieder eintraf. Am darauffolgenden Tag, einem Sonntag, hatte ich Gelegenheit einen schönen Feld-Gottesdienst bei zu wohnen. Die folgenden Tage bis 14. Oktober hatte ich Stat. Dienst. Am 15. erhielten wir Befehl eine Leitung zum Flughafen zu bauen welcher bei der Ferme des Rosiens aufgeschlagen ist. Die Ferme befindet sich bei Sechault [Séchault]. Als wir gegen 5 Uhr nachm. den Bau beendet hatten, war keine Verständigung vorhanden. Als wir dann als Störungstrupp etwa 2 km von der Endstation entfernt anriefen kam der Befehl zum Rückbau der Ltg. welcher aber am anderen Tag erst ausgeführt wurde und wir fuhren ins Quartier nach Autry zurück; um wieder dort Stat. Dienst zu machen.

Am 19. Okt. rückten wir zur Stationsbesetzung nach Bouconville. Die Station befand sich im Stabsgebäude 21. Res. Div. die Herren, mit denen wir nun zu tun hatten waren folgende:

Exl. v. Schwerin als Kdr.

Hptm. Zimmermann als Gen.stabs Offiz.

Hptm. v. Holwede Adj.

Lt. Gotheiner Adj.

Stn. Guilini Adj.

Rittmstr. Martin Ord. Offiz.

Rittmstr. Mumm v. Schwarzenstein Ord. Offiz.

Zu Anfang gestaltete sich der Stationsbetrieb etwas schwierig da man diese Herren nicht kannte aber bald wurde es geläufig. Bouconville ist, wie alle kleineren Dörfer schmutzig und die Wohnhäuser sehr primitiv. Besonders zu erwähnen sind die einfachen Decken in den Häusern. Wenn jemand im oberen Stubenorte durch die Stube geht, fällt den unten der ganze Schmutz auf den Kopf. Alle Wände sind so dünn, daß man stets hören kann was nebenan gesprochen wird. Meistenteils ist in den Orten nur ein oder zwei Häuser zu finden welche fest gebaut sind. Bouconville ist sehr hoch gelegen und diese Lage läßt darauf schließen daß die Wasserverhältnisse sehr schlecht sind. Die wenigen Brunnen waren schon so verdreckt daß das bischen Wasser was darinnen war kohlschwarz war.

Es gehört schon einige Überwindung dazu, derartige Wasser zum Kochen zu verwenden. Ungefähr 10 Minuten vom Ort entfernt ist eine kleine Talmulde wo sich etwas Wasser sammelt und in dieser Lehmbrühe haben wir uns gewaschen. Man hat das Waschen mit solchem Wasser nicht recht als Wohltat empfunden. Meistenteils haben wir uns auf der Station im Hofe der Division Wasser „requiriert“ wie man im Kriege sagt. Unser Quartier war dort in dem „Revier“ das ist das Haus wo die Krankenstuben der Div. sind. Es war wohl nicht sehr warm darinnen aber für diese Zeit doch erträglich. Auf dem kleinen Herd brauchte ein Topf Wasser zum Kochen volle zwei Stunden. Hatte derselbe ja auch keinen richtigen Zug denn das Ofenrohr war durch eine zerbrochene Fensterscheibe ins Freie geleitet.

Die schönen Herbsttage nutzten unsre, sowie auch die feindl. Flieger sehr reichlich zu Erkundungsfahrten aus. Am 22. Oktober war ein franz. Flieger mehrere Bomben auf den Ort. Ein Feldwebel wurde schwerverwundet u. starb nach kurzer Zeit. Sonst wurden keine Schäden angerichtet. Es verliefen dann einige Tage ohne weitere ernste Zwischenfälle. In der Nacht vom 29. auf 30.10. weckte uns ganz heftig ein Sanitäter mit der Worten „Aufstehen, Granaten schlagen ganz dicht bei dem Ort ein.[“] In aller Eile wurde in die Stiefel geschlüpft und im Hausflur und im Hof verharrten wir in banger Angst. Man hörte deutlich den Abschuß und dicht an das Haus gelehnt verfolgten wir das Sausen über unseren Köpfen. Alle 5 bis 10 Minuten kam eine geflogen. Sie gingen alle über den Ort und ungefähr 2-300 Meter entfernt schlugen sie ein. Am folgenden Tag suchten wir die Löcher auf und erfuhren von Offizieren daß es schwere Flachbahngeschütze waren; vermutlich Schiffsgeschütze. Wo sie standen war ein Räthsel und so konnten wir sie nicht unschädlich machen und die übernächste Nacht war es wieder dasselbe, auch daß sie fast auf demselben Platz einschlugen. Jedesmal wenn sie aufhörten, suchten wir unser Lager wieder auf, aber ein rechter Schlaf wollte doch nicht kommen.

Am 2. November wurden wir abgelöst durch einen anderen Trupp und wir waren froh, wieder nach Autry zu kommen, wo bessere Wohnungsverhältnisse und auch besseres und reichlicheres Wasser ist. Allerdings hat für uns „Gemeine Soldaten“ auch Autry den Nachteil daß mehr militärisches Leben herrscht. Dies zeigte sich schon in den am folgenden Tage (3.11.) stattfindenden Apells.

Ich will noch kurz vorher erwähnen daß die Straßenbezeichnung auch jetzt hier deutsch wurde und unser Quartier an dem Wilhelmsplatz war. Ein feiner Stadtteil! Aber nur kurz war es das vergönnt die Wohnung zu behalten und am 9. Novbr. zogen wir nach Eckartsberg Nr. 1 (benannt nach dem Ortskommandeur). Der Dienst wurde jetzt hier geregelter als zuvor. Wie die Ablösung auf den Außenstationen wurde auch hier alle 14 Tage Wachdienst, Baudienst und Stat.Dienst gewechselt. Während die Kameraden meines Zuges Wache standen, richteten UOffz. Lemmert, Telegr. Busch Lohmann und ich die Station Autry vollkommen ein. Es wurden die Einführungen zum Stat. Lokal so sorgfältig angelegt als ob es ein dauerndes Postamt sein solle. Kurz nachdem die Station einige Zeit so eingerichtet war wurde wieder ein Klappenschrank eingebracht und es gab wieder Veränderungen.

Sonst gestaltete sich das Leben immer regelmäßiger. Der Lebensmittelempfang fand täglich zur festgesetzten Zeit statt. Sie konnten jetzt bequem durch die Eisenbahn bis nach Bahnhof Autry gebracht werden, woselbst ein Proviant-Amt errichtet wurde. Sämtliche Truppenteile des Armeekorps holten in den Vormittagsstunden hier die Lebensmittel und die gute Organisation ermöglichte ein rasches Abfertigen.

Vom 2. bis 15. November dauerte der Wachdienst und dann kamen 14 Tage Stationsdienst; der angenehmere Dienst für den Telegrafisten. Die Ruhestellung sämtlicher Truppen ermöglichte es und das Leitungsnetz, welches seither aus Feldkabel bestand, mit Bronzedraht auszubauen. Wenn dies auch eine mühsame und langwierige Arbeit war, so wurde sie schließlich durch die Länge der Zeit vollendet; das teure Kabel konnte nun wieder in Stand gesetzt werden.

Um die Essenfrage besser zu lösen, haben mich die Leute meines Trupps zum Haus- und Kochdienst bestimmt; ich hatte dafür zu sorgen wenn sie vom Leitungsbau zurück kamen, daß sie ein warmes Essen vorfanden. Mit dem Kochen sind natürlich auch andere Beschäftigungen verbunden wie: Abspülen, Aufräumen bzw. Ausfegen und Holz zerkleinern. Hatte also alle Hände voll zu tun um die Zufriedenheit meiner Kameraden zu erwerben und um einigermaßen Ordnung zu halten, konnte man stets auf den Beinen sein.

Am 14. Dezember ging es wieder nach Bouconville um wieder dort Stat. Dienst zu machen. Es war in dem Ort selbst wenig Veränderung eingetreten. Die Station wurde während unserer Abwesenheit in das Haus neben dem Div. Stabs-Quartier verlegt wodurch wir ein helleres und größeres Lokal bekamen. In das Quartier wo wir vor 6 Wochen waren konnten wir nicht mehr einziehen und das was wir bekamen war ein gut Theil schlechter als das erste. An allen Ecken ging der Wind durch und die nebenan stehenden Pferde störten unsere Nachtruhe nicht wenig. So trennte uns nur eine ganz dünne wackelige Wand von denselben und schreckten oft das Nachts auf in der Meinung die Pferde brechen durch. Man tröstete sich halt immer auf die 14 Tage die es nur dauert.

Das Weihnachtsfest rückte immer näher und von der lieben Heimat treffen denn auch in sehr reichen Maße Liebesgaben u. Christgeschenke ein. Wir trafen auch Vorbereitungen zu diesem schönen Fest: holten uns in der Nähe des Flughafens einen Tannenbaum und schmückten denselben mit Christbaumschmuck aus der Heimat. Auch unsere Station wurde festlich geschmückt. Die Feier bestand in Absingen von Weihnachtsliedern und von einer Kompagnieschreibstube bekommen wir noch Bier. Durch den Lichterschein des Christbaumes wurden auch 2 Pioniere mit Musik-Instrumenten angeleitet und ein alter Landwehrmann hielt noch durch seine komischen Vorträge alle lange beisammen. Gegen zwei Uhr nachts legte ich mich zu Bett (d. heißt ins Stroh) und an die Lieben in der Heimat denkend schlief ich ein. Ein für Soldaten und Kriegszeit schöner Abend war es doch.

In der Frühe des 1. Feiertags ging ich zum Gottesdienst in die noch gut erhaltene Kirche worin eine schöne Statue der Jungfrau v. Orleans steht. Diesmal konnten wir Bouconville wieder verlassen ohne mit Granaten bedacht zu werden.

Am 28.12. ging es wieder nach Autry. Hier bezogen ein kleines Häuschen, das wir Villa Billa nannten. Es ist ganz am Außenrand von Autry und wir haben hier ein ziemlich ruhiges Plätzchen. Dies Haus gehört einer kleinen Familie, deren Ernährer in den feindlichen Reihen steht. Die Frau, welche hier in der Kirche interniert ist kommt an Sonntagen als zu uns um zu sehen ob es noch gut im Hause steht mit Möbel u. dgl. Sie bittet uns, schonend damit umzugehen, was wir nach Kräften tun und bewirten sie, mit Kaffee u. dgl. Wir leben in ziemlich guten Einverständnis mit Ihnen aber sie denken noch immer: Deutschland sei der Urheber des Krieges und diesen Gedanken können wir ihnen nicht ausreden.

Der größte Teil unseres Zuges hatte Wachdienst; ich selbst hatte das Glück, zum Stat. Dienst eingeteilt zu werden. Dieser Dienst führte mich auch auf die Station der Ballonabwehrkanone welche in der Nähe des Bahnhofs Autry stand. Der Dienst war ja dort sehr langweilig, denn kein Flieger ließ sich bei dem Regenwetter blicken. Mein Dienst war also nur nach dem rauchenden Ofen zu sehen! Bis zum 24.1. hatte ich dann noch Stationsdienst auf unserer Zentrale. Diesmal dauerte unser Aufenthalt in Autry länger, denn die Außenstationen wurden nun auf 4 Wochen besetzt. Die seither zu unserem Armee-Korps gehörende 11. Inf. Div. wurde durch die Div. Mühlenfels abgelöst und unser Trupp wurde beauftragt, diese Station zu besetzten. Eine sehr angenehme Station war es die noch den Vorteil hatte, daß sie unmittelbar bei unserem Quartier lag.

In dieser Zeit erhielten wir hier auch ein Geschütz der österreichischen Mörserbatterie welche bei Servon [Servon-Melzicourt] in Stellung gingen mit den Aufgabe die hochumstrittene Höhe 191 südl. Cernay [Cernay-en-Dormois] zu befunken. Am 2. Feb. wurde denn auch die Höhe genommen was durch eine Sprengung der franz. Schützengräben gelang. Unsere Pioniere hatten die franz. Schützengräben unterminiert und sprengten sie am 2. Febr. mittags 12 Uhr. Wir kamen dadurch bis nahe an Massiges und dieser Erfolg brachte auch unseren Wiesbadener Achtziger ziemliche Verluste. Allerdings war auch ein wichtiger Stützpunkt der Franzosen genommen.

Die unmittelbar darauffolgenden Tage und Nächte machten die Franzosen verzweifelte Angriffe um die Höhe zurück zu gewinnen aber diese Angriffe waren mehr mit Vorteil für uns verbunden als für sie denn es wurden noch einige Gefangene gemacht. Es vergingen nun mehrere Tage bis sich die Franzosen erholten und dadurch waren diese Tage sehr ruhig.

Unser Trupp machte weiter seinen Stationsdienst auf der Division Mühlenfels. So lebten wir denn ganz sorgenlos bis zum 16. Februar (Fastnacht-Dienstag). Als wir etwa 1-2 Std. im Bett lagen und recht fest schliefen, schlug die erste Granate mitten im Dorf ein. So etwas hätten wir denn doch nicht gedacht denn wir sagten uns, der Franzose hätte schon lange Autry beschossen wenn er es könnte. Das Generalkommando wußte ja besser Bescheid denn schon vor einiger Zeit ließ das Gen. Kdo. den Kirchturm abbrechen durch Pioniere um so der fdl. Artillerie das Zielen auf Autry zu erschweren. Ferner wurden Unterstände gebaut woselbst sich das Gen. Kdo. bei der Beschießung flüchten konnte. Wir Telegraphisten haben darüber nur lächerliche Bemerkungen gemacht aber in dieser Nacht auf den Aschermittwoch wurden wir leider anders belehrt. Wie schon vorher gesagt hatten sie gut gezielt und so saßen auch die nächsten Schüsse. Der erste Schuß fiel mitten auf die Straße und da gerade dort Infanterie angetreten war zum Ablösen in die Schützengräben brachte uns diese Granate einige Verluste bei. Die zweite fiel ganz in die Nähe unseres Quartiers. Während des Sausens in der Luft flüchteten wir in unseren Unterstand. Unser Quartier lag nämlich dicht an einer hohen Felsmauer und in diese Wand war so eine Art Keller eingehauen. In bangem Warten verbrachten wir die Nacht frierend darinnen. In ziemlich großen Pausen feuerte die Art. Es schlugen nach mehrere Granaten ein, worunter ziemlich viele Blindgänger waren ohne merklichen Schaden anzurichten. Etwa drei Stunden hatten die Franzosen ausgesetzt denn gegen 600 morgens fing das Bombardement von Neuem an. Diesmal noch heftiger aber immer mit geringem Erfolg. Also dann endlich Tag wurde, waren wir froh denn bei Tag konnten die Franzosen doch nicht schießen ohne Gefahr zu laufen erkannt zu werden. Wir erhielten sofort Befehl um 800 marschbereit zu sein denn das Gen. Kdo. verlegte seinen Standort nach Termes. Als wir um 800 Autry verließen hatten wir den Befehl das Gen. Kdo. wieder mit der 21. R. Division zu verbinden. Wir konnten zu diesem Zweck an eine schon bestehende Bronzeleitung anschließen. Es war an der Wegegabel 1 ½ km südwestl. von Montcheutin. Der ungefähr 5 km lange Bau nach Termes war ziemlich schwierig. Der Ort Montcheutin hielt uns lange auf, denn der ganze Ort war voller Truppen und Bagagen. Später als wir die freie Strecke erreichten ging der Bau ziemlich flott von statten. Nachmittags um drei Uhr hatten wir unsere Endstation erreicht und nachdem wir eine gute Verständigung hatten zogen wir in das Quartier, welches noch mit den Mannschaften einer Artilleriemunitionskolonne belegt war. Dieselbe ging an dem anderen Tag aus und wir begannen ein „großes Reinemachen“. Es gab für uns ein feiner Quartier um das und andere Trupps beneideten. Der erste Teil unseres Dortsein (14 Tage) hatten wir Stationsdienst. Als dieser zu Ende war und wir Bauzug wurden da bekam unser Trupp den Auftrag, den Garten des Hauptmanns herzurichten. Ich übernahm dann die folgenden 4 Wochen wieder den Kochdienst. Da das Quartier unsers Hauptmanns neben dem unsrigen war, so hatten wir Gelegenheit auch gleich die Front unserer Häuser zu verschönern. Ich malte über den Eingang die Worte: Deutsches Haus. Einige schöne Nachmittags ließen uns angenehme Spaziergänge machen; wobei der „Photo“ in Tätigkeit trat.

Termes ist ein ganz ansehnlicher Ort von etwa 700 Einwohnern, welche meistenteils Landwirte sind. Dicht bei Termes steht eine Mühle, welche von dem Militär in Betrieb gehalten wird und das im Korpsbezirk requirierte Getreide mahlt. Die in der Mühle ausgenutzte Wasserkraft treibt auch den Motor für das elektrische Licht in unseren Quartieren. Die noch zurückgebliebenen Einwohner, meistenteils Greise u. Frauen u. Kinder sind in der Kirche untergebracht und werden die Männer zur Straßenreinigung verwendet.

Als wir uns am 21.3. wieder zur Abfahrt von Termes rüsteten erhielten wir Kunde von der Beschießung von Bouconville. Die 21. Res. Division hatte zum Glück schon früher ihren Sitz in ein Schloß verlegt welches etwas weiter rückwärts lag. Dahin kamen wir nun zur Stationsbesetzung. Das Schloß war nach dem, um dasselbe herumziehenden Graben benannt und hieß nach der Karte Château de Francs Fossès [Château des Francs-Fossés]. Aber für uns sollte es kein Château (Schloß) sein denn unser Unterkunftsraum war ein Stall welcher etwas gereinigt war. Wir hatten also Arbeit genug denselben einigermaßen bewohnbar zu machen. An allen Ritzen (die Wände waren Bretter) zog es herein. Aber wir deckten uns gleich zu mit Decken der „Reichswollwoche“. Aber allerliebste kleine Gäste die fleißig unseren Eß-Kisten zusprachen hatten wir in Menge. Diese vierbeinigen Mitbewohner unseres Stalles hielte des Nachts Hindernisrennen ab an den Köpfen und Füßen der Schlafenden. Nicht allein darum, weil es franz. Ratten waren, konnten wir sie nicht leiden, sondern auch weil sie in allen Tonarten quiekten. Öfters veranstalteten wir, ausgerüstet mit den fürchterlichsten Waffen, Jagden wobei wir annähernd die Zahl 100 erreichten. Auch ein, uns fdl. gesinnten Pferde-Depot störte oft unsere Nachtruhe denn es war schon vorgekommen, daß die dünne Wand an unseren Köpfen leicht durchstoßen worden ist. Für all diese schönen Vorzüge einer Außenstation wurden wir noch obendrein an Regentagen mühelos im Quartier gewaschen.

Dank einer zahlreichen Besetzung boten diese Tage doch viel Erholung. Der Dienst am Klappenschrank steht dem bei dem Gen. Kdo. nicht nach, im Gegenteil glaube ich, daß die Verbindung nach zahlreicher sind. Einige schöne Tage ließen uns Spaziergänge machen in die erwachende Natur. Wäre die Verpflegung besser gewesen dann wäre für uns dieser Stall ein Luftkurort gewesen. Als wir uns ganz gut eingelebt hatten da mußten wir uns auch schon wieder rüsten für die Abfahrt nach Termes. Am 19. April zogen wir wieder daselbst ein, um auf weitere vier Wochen hierselbst Stationsdienst zu mache. Wir bezogen das „Deutsche Haus“ und freuten uns als wir dasselbe noch verschönert wieder vorfanden. Der Trupp, welcher während unserer Abwesenheit hier wohnte, hatten einen schönen Vorgarten angelegt. Auch ein Tisch und eine Bank, aus Birkenstämmen gezimmert vervollkommneten das Gärtchen. Aber für uns blieb auch noch mancherlei zu tun übrig. Der hinter dem Hause liegende Garten wurde umgegraben und mit verschiedenen Sorten Samen besamt. Immer mehr verschwindet das Bild vom Krieg hier. An freien Plätzen wurden sogar große Bauten aus Birkenstämmen gebaut, die Straßen wurden regelmäßig gefegt und die in franz. Sprache angebrachten Aufschriften von den Häusern entfernt oder überstrichen. Wie wohltuend diese Ordnung und Reinlichkeit auf uns wirkte empfindet der am besten welcher vorher in diesem Schmutz zu leben gezwungen war. Mögen sich die zurückgebliebenen Einwohner ein Muster nehmen an dem deutschen Ordnungssinn. Ich selbst hatte für die vier Wochen Stationsdienst auf dem Gen. Kdo. Etwas langweilig aber auch eine wohltuende Ruhe entschädigte mich dafür.

Vom 17.5. ab wurde unser Trupp nach Montcheutin befohlen. Daselbst ist der Stab der 9. Landwehr Division, bestehend aus:

Ex. Generalltn. v. Mühlenfels

Generalstabsoffz. Hptm. Held

Ordonanzoffiziere:

Rittmeistr. v. Pavel

Obltn. Aumüller

Obltn. Grolmann

Hier in Montcheutin entwickelte sich im Laufe der Zeit eine größere Station und wir versäumten auch nicht unser Quartier aufs wohnlichste herzurichten. Allerdings war das nicht wenig Arbeit denn es vollzog sich eine gründliche Änderung. Besonders zu erwähnen ist unsere gute Verpflegung, die wir von der 8. Komp. L.I.R. 83 erhalten. Wir hatten alle nur den Wunsch auf dieser Station das Kriegsende zu erwarten. Montcheutin ist ein kleiner Ort von ungefähr 3-400 Einwohner in Friedenszeiten. Jetzt allerdings zählt die Zahl der darin untergebrachten Feldgrauen 2-3000. Allabendlich konzertiert eine Kapelle des L.I.R. 85 vor der Kirche und gerne lauscht die Infanterie den Klängen. Es muß für die in der Kirche einquartierten Leute eine gute Erholung sein, wenn, aus dem Schützengraben gekommen, in ihr Quartier die Klänge eines Heimatliedes ertönten. Die seitherige Stille in dem Gefechtsabschnitt der 9. Ldw. wurde unterbrochen durch einen unsererseits geplanten Angriff. Allerdings war der Angriff nicht in größerem Stile geplant, denn es galt nur einen kleinen Geländeabschnitt zu gewinnen durch den die Franzosen in der Lage waren, unseren Graben Flankenfeuer zu geben. Das Hauptangriffsfeld lag bei der links von uns liegenden 27. Inf. Division zum XVI. A.K. gehörend. Der Angriff war auf den 20. Juni festgesetzt und gut vorbereitet. Unsere Abtlg. hatte ein sehr verzweigtes und gutes Leitungsnetz in die vorderen Gräben gelegt was besonders für die Minenwerfer notwendig war. Es gelang sehr gut den Feind das Stück Boden abzunehmen und auch eroberten wir Masch. Gewehre u. Minen-Werfer. Die Zahl der in diesen Gefechten gemachten Gefangenen betrug bei unserer Division 3 Offiziere 256 Mann.  Ich habe auf dem Durchmarsch durch Montcheutin die Gefangenen gesehen und es waren kräftige Männer in verschiedenem Alter. Die Zahl der bei der 27. I. D. gefangenen Franzosen war bedeutend höher und die Leute in der Heimat werden sich des Erfolges der Kronprinzen-Armee gefreut haben. Unsere Verluste waren im Verhältnis zu dem der Franzosen doch viel geringer. Daß die Franzosen diesen Verlust nicht so ohne Weiteres hinnehmen nahm und weiter nicht Wunder, denn sie bereiteten einen Angriff größere Stils vor. Wie man in den Zeitungen später las, versuchten sie an ihrem Nationaltag in den Argonnen und in Flandern einen Durchbruch. Wir waren also gut vorbereitet. Se. Exl. und der Generalstabsoffz. begaben sich um einen besseren Blick zu haben in den Divisions-Gefechtsstand bei La mare aux beufs [La Mare aux Bœufs].

Ich will noch kurz bemerken daß 2 Telegraphisten sich bei dem 1. Angriff das E.K.  verdienten (Mitglieder meines Trupps). Nach langer Artillerie Vorbereitung, (die Franzosen hatten unsere vorderen Gräben ganz zerschossen) stürmten sie am 14. Juli morgens um 920. Den ungeheuren Massen gelang es bis in eines unser Reservelager zu dringen. Sie hatten ihre besten Truppen, Kolonialtruppen eingesetzt und brachten uns große Verluste bei. Es gelang uns aber infolge Heranziehung von Verstärkungen sie wieder zu vertreiben und diese harten Kämpfe brachten uns 3 Offz. 450 Mann Gefangene dazu noch einiges Kriegsmaterial. Nun trat wieder nach diesen heißen Kämpfen Ruhe ein und unsere Pioniere und Infanterie ist fleißig tätig, die Hindernisse zu verstärken und die Gräben auszubauen. Für uns Telegrafisten waren es auch harte Tagen, denn die Franzosen suchten durch das Beschießen rückwärtiger Orte die Verstärkungen fern zu halten. Es waren deshalb alle Leitungen nach dem Gefechtsständen dauernd gestört und diese Leitungen mußten oft in Nacht u. Regen wieder hergestellt werden. Allmählich verlief wieder alles seinen gewohnten ruhigen Gang. Ein Dankgottesdienst verbunden mit Ordens-Auszeichnungen durch Se. Kais. Hoheit den Kronprinzen war das Ende der Kämpfe in den Argonnen die so lange schwiegen. In dem Stationsdienst verlief es stets gleichmäßig. Ich versah während unseres Aufenthaltes in Montcheutin die Stelle eines Koches und konnte bei der guten Verpflegung gut Gerichte auf den Tisch stellen.

Am 29. Juli holte man mich nach Termes um dort für einige Tage den beurlaubten Buchbinder zu vertreten. Viele freie Zeit und wenig Arbeit brachte mir dieses Kommando. Während dieser Tage wurde auch bei dem Zug der die Station in Termes besetzte die Feldküchenkost eingeführt, allerdings wurde dieses von den meisten Leuten verurteilt denn die Güte unseres Essens litt dadurch sehr. Jedoch war diese Einführung nur von sehr kurzer Dauer, sie wurde schon nach acht Tagen wieder abgeschafft. Inzwischen war auch der beurlaubte Buchbinder wieder zurückgekehrt und ich kehrte zu meinem Trupp nach Montcheutin zurück. Die schönen Sommertage wurden von den Fliegern natürlich gut ausgenutzt und wir hatten dann auch am späten Nachmittag frz. Fliegerluft. Am 13. August warf ein fdl. Flieger einige Bomben auf Montcheutin ohne viel Schaden anzurichten. So vergingen die Tage in M. in fast gleich bleibender Ruhe bis eines Tages unsere Ablösung erfolgte. Die 9. Ldw. Div. erhielt einen eigenen Fernsprechzug und wir siedelten nach Termes über. Der Umzug gestaltete sich besonders interessant da der Wagen, auf dem wir unsere Sachen hatten mehr einem Zigeunerwagen glich als einem militärischen Gefährt. Rings herum um den Wagen hingen Kochtöpfe, Helme, Gewehre und Stühle. An der Seite ragte hoch das unvermeidliche Ofenrohr in die Luft. Wir erregten mit diesem Umzug überall nicht geringe Heiterkeit.

In Termes bezogen wir mit noch einem Trupp ein neuerbautes Blockhaus. Es war dies am 12. September 1915. Da nun bekanntlich unser Zug unter den Befehl des Wachtmstrs. der Abtlg. gestellt wurde, änderte sich auch mein Dienst. Mit dem Kochen war es nun vorbei und ich erhielt Artilleriedienst. Manchmal ja eine schöne gesunde Beschäftigung wir z.B. Stangenschlagen, dann aber wieder besonders bei schlechter Witterung lehrreich. Doch hielt dieser Dienst nicht lang an denn nach einigen Tagen wurde ich zum Stationsdienst an den Klappenschrank befohlen. Dieser Dienst war mir ziemlich nervenaufreibend besonders während den Tagen der französischen Offensive. Es waren damals ungefähr 50 Leitungen zu bedienen. Das Schwere dieses Dienstes wegen war auch die Ablösung eine öfter nämlich 2 stündlich, während bei der Telegrammannahme 6 stündliche Schichten eingeführt waren.

Am 21. September 1915 setzte die franz. Offensive mit starker Artillerie Beschießung ein. Es war ein 72 stündiges Artilleriefeuer deren Heftigkeit man noch nicht erlebt hatte. Dieses dauernde dumpfe Rollen wurde nur durch die Einschläge der ganz schweren Geschosse in seiner Eintönigkeit unterbrochen. Kein Ort, und mag er noch so strategisch unwichtig sein, wurde von der schw. Art. des Feindes verschont. Besonders zu erwähnen ist der Ort Challerange; ein Eisenbahnknotenpunkt und die Zufuhrstrecke der Kronprinzen Armee. Gerade für die Telegrafentruppe bedeutet das Beschießen der rückwärtigen Verbindungen sehr viel da die Operationstruppen dadurch von den Kommandostellen abgeschnitten werden. Die für diese Fälle eingerichteten Lichtsignalstationen haben sich bei der franz. Offensive gut bewährt.

Am 24. Sept. begann der Feind die Infanterieangriffe die größtenteils mit hohen Verlusten abgewiesen wurden. Besonders schwere Kämpfe entwickelten sich am Südhang der schon früher genannten Höhe 191, am 25. u. 26. Sept. Da unser rechtes Nachbarkorps gezwungen war in die 2te Verteidigungslinie zurück zu gehen so erlitten auch unsere Stellungen eine Änderung in der Aufgabe der Höhe 191. Hier kam die große Offensive der Franzosen zum Stillstand. Einige Tage später versuchte der Feind es nochmals mit langer Art. Vorbereitung aber es war ebenso erfolglos wie der erste Versuch uns bis zum Rhein zurückzutreiben. Wir hatten nun alle Hände voll zu tun die zerstörten Leitungen wieder herzustellen, was in den bodenlosen Feldern manche Schwierigkeiten bereitete.  

Es verstrich so nun fast ein ganzer Monat ohne daß sich viel von Bedeutung ereignete. Täglich herrschten neue heftige Art. Kämpfe. In diesen Tagen wurde hinter unserer Korpsfront ein feindl. Flieger zum Absturz gebracht.

Am 28. Okt. nachm. 400 ich hatte gerade Klappenschrankdienst erfüllte ein heftiger Schlag die Luft. Es war die Explosion der Kirche in Mouron, eines Ortes unweit Termes. Die Kirche war zu einem Munitionslager hergerichtet und dieses explodierte. Noch bis spät in die Nacht hinein explodierten einzelne Geschosse und es war mit großer Lebensgefahr verbunden sich in der Nähe des Ortes aufzuhalten. Die Kirche und einige der in der Nähe stehende Häuser waren nur noch ein Trümmerhaufen. Als ich am darauffolgenden Tage einen Besichtigungs-Spaziergang dorthin unternahm konnte ich mich von der kolossalen Wirkung der Explosion überzeugen. In den Gärten und Feldern um das Dorf herum lagen Steine und Balken der Kirche zersplittert. Ich sah einen Stein etwa in der Größe eines Wassereimers ungefähr 500 m von der Kirche entfernt 2 m tief in der Erde stecken. Die umhergeschleuderten Geschosse lagen massenhaft, teils krepiert, teils ganz, in unschuldigem Frieden auf der Erde. Wie durch Fügung Gottes waren die Verluste dieser gewaltigen Katastrophe gleich Null.

Die nächstfolgenden Tage waren für unser Korps nicht weiter von Bedeutung. Nur am rechten Flügel nach der Champagne zu war es lebhaft an Artillerie-Kämpfen. Nach und nach flaute der Sturm der großen Offensive immer mehr ab. So wurde Weihnachten. Das zweite Kriegsweihnachten. Ein großes neuerbautes Haus wurde dazu festlich geschmückt. Um auch gleichzeitig an den ehemaligen Chef unsers Generalstabs zu erinnern taufte man dieses Haus „Studnitz-Haus“. Unsere Abteilung versammelte sich hier und feierte fern den deutschen Landen das deutsche Weihnachtsfest kein strahlender Christbaum. Regimentsmusik, Bier, Vorlesung und Ansprache unseres Herrn Hauptmanns war das übliche Feiern. Aber nicht allein zu Weihnachtsfeiern diente das Studnitz-Haus. Ein Kino war darin und bot uns, wenn auch etwas primitiv gute Unterhaltung. Wenn auch manches nicht so klappte und die Bilder zeitweise nur hell erschienen, so war es dich sehr beliebt und täglich ausverkauft. Wenn auch nicht, der Eintrittspreis war ja so niedrig wie etwas. 10 Pf. nur!!! Lange Nächte und kurze Tage in steter gleichbleibender Ruhe. Eine kleine angenehme Abwechslung war für mich eine Autofahrt nach dem Etappengebiet um dort Einkäufe zu machen für die Kantine unserer Abteilung.

In meinem Dienst vollzog sich insofern eine Änderung, daß ich nun [die] Zentrale des Gen. Kdo. bedienen mußte. Diese Station verdient doch wegen ihrer einzigen Art beschrieben zu werden. Es war der Heizraum in dem der Klappenschrank stand, und von wo aus das ganze Haus geheizt wurde. Man frage mich ob es angenehm ist 6 Stunden lang neben einem fast glühenden Kessel zu sitzen und Telephon-Verbindungen her zu stellen. Der Schweiß rann etwa vom Kopf auch wenn man nichts tat. Aber da gerade Winterzeit es war so konnte man es eher ertragen. Besonders des Nachts tat einem die gleichmäßige Hitze wohl; zu gleich auch einschläfernd wirkend; man hatte große Mühe sich des Nachts wach zu halten. Die spannendsten Erzählungen waren zum Wachhalten gerade gut genug. Es ist fast nicht zu glauben was man alles in diesem jahrelangen Nachtdiensten lesen kann.

Der Winter verging und mit beginnendem Frühlingswetter auch neue Taten. Am 21. Februar 1916 begann an der Front um Verdun die Artillerie-Vorbereitung zu unserer Offensive. Am Abend desselben Tages wurden von diesen Truppen die ersten Stellungen nebst einigen Vorwerken genommen. Die schwere Artillerie (42 cm) brachen die Forts und neben großen örtlichen Erfolgen brachte uns dieser Tag 3000 Mann unverw. Gefangene. Besonders schwierig waren die Maasübergänge, da das Wasser mit fingerdicken Drahthindernissen durchzogen ist. Nach den ersten acht Tagen dieser erbitterten Kämpfen konnten wir als Beute angeben: 76 Geschütze, darunter 8 schwere, 86 Maschinengewehre, 228 Offiziere u. 16575 Mann. So nahmen die Kämpfe weiter an dieser Front einen für uns günstigen Verlauf trotz allem Einsatz an französischen Elitetruppen. Daß sich diese Kämpfe immer schwieriger gestalteten war voraus zu sehen denn dieser Teil der Front war der wichtigste. Ich will hier Abstand davon nehmen, weitere Einzelheiten zu erwähnen da sich doch diese Kämpfe nicht bei uns abspielen.

Am 29. Febr. abends saß ich wie gewöhnlich an meinem Fernsprecher als auf einmal, es war gegen ½ 12 Uhr in ganz bedenklicher Nähe das fürchterliche Geheul eines schweren Geschosses hörbar wurde. Der Einschlag war ganz im Gegensatz dazu garnicht zu stark. Was war es? Der Franzose beschoß Termes! Es dauerte keine halbe Minute und ein Pfeifen und Krachen erfolgte. So machte der Feind ein ziemlich rascher Folge etwa 25 Schüsse abgegeben haben als die Batterie von unserer Artl. niedergekämpft wurde. Natürlich war für die meisten die Nachtruhe dahin. Am andern Tage besahen wir die Einschläge und staunten nicht wenig als wir Löcher entdeckten wo man ein mittelgroßes Auto hineinstellen konnte. Es stellte sich heraus daß es 14 cm Granaten waren mit denen der Franzmann uns drohte, denn alle Schüsse lagen ungefähr 400 m von dem Ort entfernt. Es erschien sogar noch fraglich, ob der Feind es nicht auf den naheliegenden Bahnhof Senuc-Termes abgesehen hatte.

Das verlegen des Gen. Kdo. wurde am nächsten Tage beschlossen und nachdem in Grandpré alle Vorbereitungen (Legen der Tel. Leitungen) beendet war wurde am 23. März das Korps-Stabs-Quartier nach Grandpre [Grandpré] verlegt. Dies ist ein kleines Städtchen und machte einen guten Eindruck. Vor allem hatte es noch wenig unter dem Krieg gelitten und waren alle Häuser ziemlich wohlbehalten. Mit noch 3 Kameraden hatte ich Dienst auf der Generals-Vermittlung, welche getrennt von der Hauptvermittlung am Ausgang des Ortes nach Termes lag. Die ersten Tage vergingen noch unter Einrichten der Wohnung und Station. Fast alle Telegrafisten wohnten in einem Hause, von dem wir, d.h. 4 Mann von der Gen.-Stabs. Verm. ein freies Zimmerchen innehatte. Sogar neu tapeziert haben wir es und unserem Dekorationsschmuck wurde fleißig Nachahmung getragen. Ein spätere Aufnahme fiel zur allgem. Zufriedenheit aus. Nun begann allmählich die Witterung besser zu werden und dies lockte uns in die nähere Umgebung. Da ist vor allem nach Chevieres [Chevières] zu ein wunderschönes Jagdschloß das uns immer anzog. Rings herum von Tannenwäldern umgeben lag dieses wohlerhaltene Besitztum eines Deputierten da. Vor dem Schloß war ein großer Weiher auf dem man Nachen fahren konnte. Ich erinnere mich an den Ostersonntag wo ich es Nachmittags [war]; vor dem Schloß spiegelte eine Inf. Kapelle, mit meinem Kameraden Weiand eine herrliche Kahnpartie machte und wo unser Kahn bei den Klängen eines Straußschen Walzers sachte durch das Wasser glitt. Ganz die Musik auf sich wirken lassend dachten wir beide an keinen Krieg mehr als plötzlich über uns ein feindl. Flieger seine Kreise zog. Die Schläge der Ballonabwehrkanonen waren das Finale des schönen Nachmittags. Noch öfter zogen wir gemeinsam in der Frühe durch den herrlichen Park um Maiblumen für das Quartier und auch für die Lieben zu Hause zu holen.

Der Dienst an dieser ruhigen Front war ja nicht anstrengend und wir hatten genügend Zeit, unseren Garten, der hinterm Haus lag, zu bestellen. Es glich ja mehr einem Trümmerhaufen als einem Garten und nachdem wir allen Unrat beiseite geschafft hatten und bestellt war, kam mehr Unkraut zum Vorschein als das was wir säten. Das einzige, was ich daraus erntete, waren ein paar Rettiche, die noch nicht halb ausgewachsen waren. Nur es ja immer so bei dem was die Soldateska bestellt, da fehlt später die Pflege. Mehr als diese Arbeit zog uns ferner des Nachmittags das Konzert an, das eine sehr gute Inf. Kapelle auf dem Marktplatz gab. Obwohl wir genug Zerstreuung hatten suchte doch das Gen. Kdo. uns noch mehr zu bieten indem es in einem Seitengebäude des Schlosses uns ein großes Kino einrichtete. Wenn auch der Raum nicht gerade bequem war, so stand es doch absolut auf der Höhe. Es wurden dort große Films gegeben und der Eintritt war nur 10 Pf.

So vergingen die Trage ziemlich eintönig. An der Front gab es auch wenig Veränderungen. Nun kursierte seit einigen Tagen, Anfangs Juli, das Gerücht, daß unser Korps nach der Kampffront bei Verdun komme. Dies wirkte wie ein elektrischer Funke. Bei Verdun waren damals die schweren Kämpfe und unser Korps hatte seither fast immer eine ruhige Stellung gehabt. Nach einigen Tagen wurde dann auch dieses Gerücht zur Wahrheit, um 16. Juli siedelten wir nach Sorbey bei Longuyon über. Abgelöst wurden wir durch das Gen. Kdo. 16. A.K. das später sich Argonnen-Gruppe nannte. Während unsere Abteilung schon abrückte, hatten Weiand und ich den Auftrag, die Telegr. anzulernen, sodaß wir erst einige Tage später nach Sorbey kamen. Die Fahrt dorthin gestaltete sich sehr lustig, vor allem auch deshalb, weil wir noch eine Waschtischplatte mitzunehmen hatten die überall nicht geringe Heiterkeit erweckte. Aber was machten wir große Augen als wir unsern neuen Ort bezogen. Wir trafen dort nur Hütten an, die riesig verdreckt waren. Fenster u. Türen waren nirgends. Aber das Quartier kam in zweiter Linie. Der Betrieb am Klappenschrank war ganz neu. Man brauchte nicht aufzuschreiben während seiner Dienststunden so rasselte es aus dem Kasten. Ehe man sich versah waren die 2 Stunden Dienst, länger hielt man es nicht aus, vorbei. Es mündeten über 100 Leitungen in diese Zentrale und da an der Front schwere Kämpfe ausgefochten wurden, hatten auch wir keinen leichten Stand, alle Gen. Stabsoffiziere zur Zufriedenheit zu bedienen. Obwohl es nur Nervenarbeit war, kam einem doch oft der Schweiß aus allen Poren. Der Fernsprechverkehr war nicht so stark und wurde des Nachts, da Mangel an Personal war, von uns, dem Klappenschrankpersonal mitgemacht. So kamen wir durchschnittlich 3-4 Tage an Nachtdienst. Aber dies ließ sich ertragen; es war ja Sommer und die Nächte kurz. Das Quartier wurde nun auch allmählich wohnlich, vor allem richteten wir unter der Leitung unseres Kameraden Krauser eine schöne Küche uns ein. Wir hatten ja auch genügend zu kochen und lebten garnicht schlecht. Es wächst auch rings um Sorbey herum viel Obst und das fehlte niemals auf dem Tisch. Von den Franzosen handelten wir genug Erbsen und Karotten, die Kartoffel ernteten wir (gesät haben wir sie nicht selbst auf den Feldern). Meistens mußte ich den Koch machen und wenn alle Kameraden lustig aßen konnte man seine Freude daran haben.

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