Karl Hickethier – Erinnerungen an die Kriegsgefangenschaft in Sibirien (1916-18)

Karl Hickethier aus Staßfurt war Soldat im Jahr 1916 im Reserve Infanterie Regiment Nr. 46. Während der Brussilow-Offensive gelangte er am 24. Juli 1916 in russische Gefangenschaft. Seine schwere Verletzung – einen Brustdurchschuss – überlebte er trotz der nach ihm unzureichenden Wundversorgung zu Beginn der Kriegsgefangenschaft. Auf eigenen Wunsch hin wurde Hickethier nach Sibirien gebracht, weil er sich davon erhoffte, nicht arbeiten zu müssen. Sein Weg führte ihn über Czernowitz, Moskau, Kasan, Saransk, Ulan Ude bis nach Troitzkossawsk, ein Kriegsgefangenenlager in Sibirien in der Nähe der heutigen Grenze zur Mongolei. Ungefähr Anfang November 1916 muss er dort angekommen sein.

Weihnachten 1916 verbrachte er noch dort, wurde aber später – eine genaue Datierung fehlt leider – in der Lager Beresowska am Baikalsee verlegt. Bereits vier Wochen später erfolgte dann die Verlegung weiter Richtung Westsibirien – vermutlich in das Lager Semipalatinsk, welches Hickethier später in seinen Erinnerungen erwähnt. Hier lebte er dann die meiste Zeit bei Bauernfamilien. Allerdings zeigen sich in seinen Erinnerungen auch zahlreiche Vorurteile gegenüber den russischen Bauern. So schreibt er z.B. abwertend, dass die Bauern dreckig wären. Auch hat er das Konzept der russischen Saune, der Banja, nicht verstanden, da er, obwohl die Bauern diese besuchen, sie immer noch als dreckig bezeichnet.

Als sie schließlich die weitere Arbeit bei den Bauern verweigerten, gingen sie zu Fuß ca. 75 km bis ins das Kriegsgefangenenlager Semipalatinsk. Hier berichtet Hickethier dann ausführlich über die Arbeit der Bolschewisten im Kriegsgefangenenlager, die er rundum ablehnt. Zusammen mit zwei weiteren Kriegsgefangenen plante er seine Flucht Richtung Omsk und dann weiter nach St. Petersburg. Zur Finanzierung ihrer Flucht verkauften sie Nägel, die sie aus der Zerstörung ihres Barackenlagers „erwarben“, an russische Eisenhändler. Am 2. Pfingsttag 1918, also am 20. Mai 1918, begannen sie ihre Flucht zunächst zu Fuß, dann mit dem Dampfer den Fluß Irtysch hinauf bis Omsk. Hier wurden sie zunächst durch die tschechoslowakischen Truppen aufgehalten, die in Omsk gegen die Bolschewisten kämpften. Wohl am 30. Mai gelang es den drei Männern, einen Zug in Richtung St. Petersburg zu besteigen, wo sie nach drei Tagen und drei Nächten (wohl am 2. Juni 1918) ankamen. Nachdem sie sich St. Petersburg angesehen hatten, meldeten sie sich dann bei der Austauschkommission für Zivilgefangene und nach zwei Tagen wurden sie tatsächlich ausgetauscht. In Pleskau (heute: Pskow) wurden sie von den deutschen Behörden übernommen. Nach zwei Wochen im Quarantänelager Zegrze Nord bei Warschau wurde Hickethier dann nach Hause zu einem achtwöchigen Urlaub entlassen. Ob Hickethier dann an die Westfront nach Frankreich gekommen ist, lässt sich anhand der Erinnerungen nicht genau sagen. Denn sie enden hier.

Karl Hickethier datiert die Reinschrift seiner Erinnerungen am Ende auf den 1. Oktober 1919. Ob er sich bei der Reinschrift auf Aufzeichnungen aus der Zeit seiner Gefangenschaft gestütz hat, lässt sich nicht sicher belegen. Es kann gut sein, dass Hickethier seine Erinnerungen tatsächlich aus dem Gedächtnis niedergeschrieben hat, was auch erklären könnte, warum so wenige konkrete Daten genannt werden.

Zur Biographie von Karl Hickethier konnten leider bisher keine weiteren Informationen ermittelt werden.

Karl Hickethier war u.a. in den Kriegsgefangenenlagern Troitzkosswask, Beresowka und Semipalatinsk untergebracht. Quelle der Karte: Elsa Brandström: Unter Kriegsgefangenen in Russland und Sibirien 1914/1920. Berlin 19127

Karl Hickethier: Meine Erinnerungen aus der Kriegs-Gefangenschaft 1916 bis 1918 Sibirien

Deckblatt der Erinnerungen
Erste Seite der Erinnerungen von Karl Hickethier
Letzte Seite der Erinnerungen mit der Datierung auf den 1. Oktober 1919 in Staßfurt. Ob sich Karl nun mit K oder C am Anfang schrieb, ist leider auf Grund der beiden vorhandenen Schreibweisen unklar.

Der 24. Juli 1916 der Tag des Beginnes der Brussilow-Offensive, in der 400000 Oestreicher + 40000 Deutsch in die Hände der Russen fielen, besiegelte mein Schicksal. Wir, die 1. Kompagnie R.I.R. 46 hatten bei Tlumacz in der Bukowina eine vorgeschobene Stellung besetzt, in der zuvor 2. Battaillione gestanden hatten, sodaß alle 40-50 m ein Mann zu stehen kam. Fünf Tage verbrachten wir in dieser Stellung, ohne von den Russen ernstlich belästigt zu werden, abgesehen von unsinnigen Schießereien des Nachts, bei den wir jedoch keine Verluste hatten.

Bei Tagesanbruch des 28. Juli setzte zu unserer Ueberraschung eine wahnsinnige Knallerei aus allen Kalibern ein, die sich jedoch in der Hauptsache auf unsere Hauptstellung richtete, was darauf schließen läßt, daß der Russe über unsere Stärke gut unterrichtet war. Gegen 10 Uhr setzte dann auch der Angriff ein + da rechts + links von uns nichts mehr war, war es ein Leichtes für den Russen, uns zu umgehen, was ihm auch glänzend gelang. Da rechts + links bereits der Russe an uns vorüber war, ohne überhaupt von uns Notiz zu nehmen, war es allerdings das Bestreben jedes Einzelnen noch die Hauptstellung zu erreichen, was jedoch von 250 Mann nur 20-25 Mann gelungen ist. Ich für meinen Teil hatte beim Verlassen des Grabens genügend Deckung, da hinter demselben sich eine Schlucht ausbreitete. Ich kam auch ungehindert in diese Schlucht hinein + auch wieder heraus, aber weiter sollte ich kein Glück haben, denn kaum hatte ich die Schlucht verlassen, da bekam ich einen Schuß + was nun um mich herum geschah, weiß ich nicht. Als ich das Bewußtsein wieder erlangte, befand ich mich von aller Welt verlassen auf ein von Granaten zerwülten [sic!] Felde. Nichts war um mich + kein Mensch zu sehen und meine Umgebung ließ darauf schließen, daß vor Stunden hier ein furchtbarer Kampf getobt haben muß, welcher in der Ferne noch tobte, was die von weiter hörbare Schießerei verriet. Und ich, allein auf weiter Flur. Nun fand ich erst Gelegenheit, meine Wunde zu untersuchen. Ein Brustschuß. Ein trauriges Bild entrollte sich in meinem Geiste. Verwundet + gefangen. Sibirien tauchte vor mir auf. Eis + Wölfe, Hunger + Elend, hilflos der Gnade des Feindes überliefert. Eine innere Stimme sagte mir Kopf hoch + nicht verzagen, sich in sein Schicksal fügen. Nun war mein erster Gedanke nach meinem Tornister zurück um wenigstens notdürftig für eine Reise nach Sibirien gerüstet zu sein. Dies war jedoch nicht leicht, da ich durch den großen Blutverlust sehr geschwächt war, aber ich schleppte mich unter Aufbietung aller Kraft vorwärts. Meine Sachen erreichte ich leider nicht, da ich unterwegs auf Russen stieß, welche mir zuwinkten. Nun ging es durch den russischen Graben über Leichen + wimmernde Verwundetet, die Zeugnis ablegten, daß auch unsere Artillerie nicht geschwiegen hatte, nach dem Sanitäter-Unterstand. Ich befand mich allein darin, aber davor war schon ein Mann mit aufgepflanztem Seitengewehr postiert, denn ich war ja gefangen. Der Mann war jedoch sehr anständig, meine Wunden schienen ihn Mitleid einzuflößen. Er bot mir zu Essen an, Butterbrod, ich lehnte jedoch ab. Da ich nur Durst verspürte, infolge des Lungenschußes verlangte ich Wasser. Trinkwasser war nicht vorhanden + so brachte er mir Wasser aus einer Regenpfütze, das mir obwohl es schlammig war, sehr gut schmeckte. Endlich kam ein Sanitäter, der nachdem er sich meine Wunden betrachtet hatte, eine abfällige Handbewegung machte, als ob er sagen wollte: „Der wird doch nicht wieder.[“] Er verband mich nicht, aber wollte mir Tropfen reichen. Ich lehnte jedoch ab, da ich Gift vermutete. Er entfernte sich wieder. Nachdem wieder einige Zeit vergangen war + ich mit meinem Posten allein war, welcher inzwischen Gefallen an meiner Uhr gefunden hatte + mir selbige abnahm, gesellten sich noch einige unverwundete Deutsche zu mir. Bald darauf ging es, umgeben von einer Postenkette weiter zurück. Nach einem Marsche von einer Stunde gelangten wir an den Verbandplatz, auf dem es von russischen Verwundete wimmelte. An den Gebärden der Russen merkte man, daß dieselben nicht gut auf uns zu sprechen war. Das Verbinden ging bei der Menge von Verwundeten langsam, aber es kam auch die Reihe an mich, nachdem ein deutschsprechender Russe (Sanitäter) auf mich aufmerksam wurde. Er verband mich + ließ mich nicht mehr aus dem Auge. Brachte mir Essen + Trinken + half mir später auch auf den Panjewagen. Als nun 40-50 Wagen voll waren ging es weiter zurück. Diese Fahrt war für mich nicht erfreulich, denn durch die Stukerei auf dem schlechten Pflaster, hatte ich gräßliche Schmerzen anzustehen, sodaß ich schrie + stöhnte. Dadurch wurde der Transportführer, ein Kosakenfeldwebel, auf mich aufmerksam. Der Wagenführer mußte halten + mir ein Bund Stroh in den Rücken legen, was die Schmerzen etwas linderte. Nach stundenlangen Fahren kam wir endlich gegen Abend vor einem zerfallenen Hause an, welches ein Hilfs-Lazarett vorstellte. Die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten + Zelte, waren bereits von Russen überfüllt, sodaß wir im Freien auf Stroh kampieren mußten. Wir bekamen zu Essen + auch abends 2 Mann eine wollene Decke. An Verbinden war nicht zu denken, da immer neue Russen hinzukamen. So verbrachten wir drei Trage + drei Nächte. Am 4.ten Tage endlich, nachdem sich wieder ein deutschsprechender Sanitäter unser erbarmt hatte, wurden wir verbunden + es gelang uns auch auf einem Sanitätswagen weiter zu kommen, hofften wir doch, bald mal in ein richtiges Lazarett zu kommen. Aber wir sollten uns täuschen. nachdem wir wieder bald einen vollen Tag gefahren waren kamen wir abends in ein Diosians-Lazarett an. Wieder ein alter festungsartiger Bau. Diesmal kamen wir jedoch auch in ein Zimmer, auf Stroh + pro Mann eine Decke. Hier merkte man wieder so recht, daß man gefangen war, denn ein Posten stand vor der Tür. Alles Verwundete, die froh waren, daß sie noch am Leben waren + dann ein Posten mit Gewehr dahin. Uns kam die Sache lächerlich vor. Ging ein Mann austreten, ging ein Posten mit, aber wir fanden uns in unser Schicksal, denn wir waren ja Gefangen. Auch hier verbrachten wir einige Tage, ohne daß sich ein Arzt um uns kümmerte. Zu Essen bekamen wir genügend, des Morgens Tee mit Zucker + ein Stück Brot, Mittags Suppe + Fleisch + Kascha (eine Art Hirse mit Fett gekocht). Nachmittags Tee + Brot + abends nochmal Suppe. Plötzlich kamen wir weg. In Sanitäts-Autos verladen ging es weiter nach Horodenka, die erste Eisenbahnstation, welche wir antrafen. Hier wurden wir frisch verbunden + bekamen auch zum Teil neue Wäsche. Mein Hemd, welches von Blut getränkt war, hatte ich in diesem Zustande bereits 14 Tage an. Hier hatten wir Gelegenheit, einen russischen Generalstabsoffizier zu sprechen. Dieser bot und Cigaretten an + war sehr zutraulich zu uns. Wir erkundigten uns nach unseren weiteren Schicksal + waren wir sehr erfreut, als uns dieser sagte, daß es nun nicht so schnell gehen wird, wenn wir uns anständig benehmen. Von hier ging es weiter per Bahn nach Sadagora [Sadhora] (liegt gegenüber von Czernowitz). Hier kamen wir in ein Hilfslazarett (allerdings nicht nach deutscher Auffassung). Wir waren 8 Mann, alles Gefangene in einem kleinen Zimmer + natürlich wieder ein Posten davor. Hier war das Essen schlechter, denn der Russe, der die Gefangenenküche unter sich hatte unterschlug die Hälfte, wie uns ein deutschfreundlicher Russe erzählte. Von hier aus ging es per Wagen nach der fast zur Hälfte mit Deutschen bewohnten Stadt Czernowitz. Der Zug nach hier war sehr lahmend. Wir waren der letzte Wagen des Zuges + wurden als einzige Deutscher (3 Mann) reich beschenkt. Die Leute brachten alles. Brot, Milch, [Bauhaus?], Cigaretten, Geld usw. Hier kamen wir zum ersten Male nach 3 Wochen in ein richtiges Lazarett. Durch die bisherige Hin- und Herzieherei hatte ich mein Zustand natürlich in den 3 Wochen meiner Gefangenschaft nicht gebessert. Ich lag hier im Lazarett ziemlich fest, sodaß man an meinem Aufkommen zweifelte, was das stündliche Erscheinen der Schwester + des Arztes bewiesen. Mein Fieber stieg bis 42,5°. Ich aß + trank nichts und wußte nicht, was mit mir geschah. Hier in Czernowitz bekam ich zum ersten Male während meiner Verwundung + Gefangennahme Anzug + Stiefel aus. Letzteres war kein leichtes Stück Arbeit. Zwei Mann hatten zu tun, um mir den rechten Stiefel auszuziehen, in welchem das Blut aus meiner Rückenwunde gelaufen war, das in der langen Zeit festgetrocknet war. Trotz meines schlechten Zustandes war unser Bleiben in Czernowitz nicht lange. Schon am zweiten Tage ging es weiter per Bahn nach der Grenze Rußlands zu. Die erste russische Stadt, die wir passierten, war Nowoselida [Nowoselyzja], ein großer Eisenbahnknotenpunkt. Hier in N. hatten sich die Verwundeten zu tausenden angesammelt. Hier war ein wildes Durcheinander. Russen + Gefangene alles durcheinander. Unterkunft war nicht für den vierten Teil der Verwundeten vorhanden. Unter einer alten Zeltbahn kampierten wir 2 Mann des nachts, um wenigstens gegen die nassen Niederschläge geschützt zu sein. Kein Mensch kümmerte sich um uns. An ein Verbinden war nicht zu denken. Wer sich nicht ums Essen drängte, bekam nichts. Wegen der nahen rumänischen Grenze kam in uns schon der Gedanke zur Flucht auf, den wir jedoch wieder fallen ließen, da wir uns zu schwach fühlten. Am dritten Tage wurden alle Gefangenen zusammengerufen + einem Arzt vorgestellt. Es wurden diejenigen rausgesucht, die in einem Lazarettzug befördert werden sollten, darunter auch ich. Solange hatte sich kein Mensch um uns gekümmert, jetzt da man uns zusammen hatte, wurden wir in eine Scheune gesperrt + eine Wache davor postiert, dies war der angebliche Lazarettzug. Gegen Abend ging es auch wirklich zur Bahn, aber ein Lazarettzug war nicht zu sehen im Gegenteil ein Güterzug kam an, mit unverwundeten Gefangenen, die letzten beiden Wagen waren noch leer; hier kamen wir hinein, die aussortierten für den Lazarettzug, sage + schreibe 38 Mann in einem Wagen, alles Verwundete, wo keiner den anderen ankommen durfte, um ihm keine Schmerzen zu verursachen. Und fort ging es mit uns. Die Fahrt dauerte 2 Tage, ohne daß man uns ein Stückchen Brot reichte. Der Transportführer unterschlug einfach das ganze Geld. Dies ist in Rußland, wie wir später merkten, nichts neues. Unsere Hungerfahrt endete bei Tarnitza bei Kiew, wo es uns grade so gehen sollte. Des Vormittags kamen wir dort an + freute sich ein jeder auf den Mittag, aber war ein jeder enttäuscht, als und Mittag erklärt wurde, daß wir für diesen Tag kein Mittagbrod bekämen, da die Stärke der Baracken zuvor zum Lebensmittelempfang gemeldet sein müsse, sodaß wir erst für den nächsten Tag zum Mittagessen in Frage kämen. Wer nun Geld hatte, konnte sich zum Glück Brod kaufen, um nicht ganz vor Erschöpfung zusammen zu brechen. Am Abend bekamen wir dann etwas Milch + Weißbrot. Die Nacht schlief alles fest + vergaß die Sorgen der vergangenen letzten Tage. Aber beim Morgengrauen kamen schon wieder die neuen Sorgen. Denn schon früh fing man an, uns aufzurufen, zu einem Transport nach dem Inneren Rußlands. Zum Mittag standen wir vor den Baracke + sahen uns so wieder um das Mittagbrot betrogen. Gegen Abend wurden wir dann verladen und fort ging es dem bekannten Moskau entgegen. Diesmal etwas bequemer. Und 16 Mann in den Wagen auf Strohsäcken belegten Pritschen + auch diesmal besser mit Lebensmittel versehen. Nach 2 Tagen Fahrt kamen wir in Moskau an. Hier wurden wir in die Elektrische Bahn transportiert + ins Lazarett gebracht. Hier bekamen wir gutes + reichliches warmes Essen + hatten zum ersten Male nach 4 Wochen Gelegenheit, in die Heimat zu schreiben. Aber auch hier sollte unser Aufenthalt nicht lange dauern. Schon am andern Tage ging es weiter. Nachdem man mit uns eine stundenlange Reklamefahrt gemacht hatten langten wir endlich auf einem Bahnhofe an. Hier kamen wir zum ersten Male in einen richtiggehenden Lazarettzug und wieder ging es mit uns fort ins innere Rußlands. Diesmal war unser Ziel die Tatarenstadt Kasan. Eine 200000 Einwohner zählende Stadt mit vielen prächtigen Kirchen. Hier kamen wir wieder in ein Lazarett, daß letzte, das ich sah, denn ich wurde schon nach 2 Tagen als geheilt entlassen, trotzdem ich mich kaum allein fortbewegen konnte. Hier lernte ich nun das erste Gefangenenlager kennen. Bestehend aus zwei einfachen Holzbaracken, durch welche der Wind pfiff. Selbiges war and er Wolga gelegen + da es noch Sommer war, ein angenehmer Aufenthalt, täglich Gelegenheit zum Baden. Eine Küche gab es in diesem Lager nicht, sodaß wir täglich einen Marsch von 3 Stunden hatten, welcher jedoch viel Abwechslung bot, da man stets was Neues sah. Hier blieben wir 8 Tage + wieder ging es weiter nach dem Gefangenenlager Saransk. Saransk war ein sehr schlechtes Gewölbe artiges Lager, welches voll war von Ungeziefer. In Saransk ging schon andersrum, merkte man hier schon mehr, daß man Gefangener war. Fast täglich wurde man zum Arbeiten herangezogen. War es auf dem Felde, Kartoffeln + Zwiebeln rausholen usw. oder in den Straßen den Schlamm wegschaufeln. Gepflasterte Straßen gab es in Saransk nicht. Hatte es geregnet, ging man bis zum Knie in den Schlamm. Und diese Straßen einigermaßen gangbar zu machen, war unsere Aufgabe. Viel wurde allerdings nicht gemacht. Hier in Saransk erlebte ich eine heitere Episode, die ich nicht vergessen will zu schildern. Einmal war ich auch mit dazu auserkoren für das Lager Fleisch einzukaufen. Und so begaben wir uns mit einem Tschechen, der die Lagerverwaltung unter sich hatte zum Markt. Während nun der Tscheche mit dem Russen wegen des Fleisches verhandelte und die anderen zuhörten, machte ich mich daran, den nebenliegenden Raum auszukundschaften. Hierbei enddekte [sic!] ich auf dem Tische eine stattliche Speckseite. Sofort reifte in mir der Entschluß, von dieser Speckseite mußt du was haben. Die ganze Speckseite konnte ich nicht ungesehen wegkriegen + so machte ich kurzen Prozeß, Messer raus + zwei Finger breit durch die Speckseite abgeschnitten.

Meine Beute verbarg ich in der Tasche + ich gesellte mich wieder zu meinen Gefährten, ohne daß jemand den Vorfall bemerkt hatte. Später im Lager teilte ich meine Beute mit meinem einzigen Freunde, einem Hallenser Versicherungsbeamten + ließen wir es uns zum Abendbrot vortrefflich munden, zu welchem wir uns noch gemeinsam eine Flache Bier leistete[n], denn über Gelder verfügten wir noch nicht, sodaß wir uns noch zusammen mit einer Flasche begnügten. Da Saransk nur ein Durchgangslager war, in dem Arbeitstransporte von Zeit zu Zeit zusammengestellt wurden, so sollten wir auch hier nicht lange bleiben. Fast täglich gingen Transporte auf Arbeit. Es kam auch die Reihe an uns. Da in Saransk bereits viele Gefangene waren, die ihrem Berufe nach keine körperliche Arbeit verrichten, so wurde uns die Wahl gelassen, entweder auf Arbeit, oder nach Sibirien zu gehen. Wir entschieden uns für Sibirien, obwohl keiner wußte, ob wir hier mit Arbeiten verschont wurden, denn alle verspürten wenig Lust, für den Russen für ein Hundeleben zu Arbeiten. So wurde dann auch der Transport nach Sibirien zusammengestellt. Alles Einjährige, Kaufleute usw. Am 3. Oktober 1916 wurden wir in Marsch gesetzt. Ich trat die Reise, die 4 Wochen dauerte ohne einen Pfennig Geld in der Tasche an, was bei der Unehrlichkeit der Russen keine Kleinigkeit ist. Wusten wir doch nicht, wie es mit unserer Verpflegung stehen würde. Aber vertrauensvoll blickte in die Zukunft. Unsere Fahrt, die täglich Neues bot über Samara, Omsk, Krasnojarsk Irkutsk am Baikalsee vorbei zunächst bis Werchenudinsk [heute: Ulan Ude]. Dies war eine überaus interessante Fahrt, da wir täglich neue Landstriche sahen. Das interessanteste war die Fahrt über den Ural, bald hoch, bald tief schlängelte sich die Bahn durch dies Gebirge. Die zweite Sehenswürdigkeit war der Baikalsee mit seinen ca. 50 Tunnels. Hier fährt die Bahn einen vollen Tag hart an den See vorbei. Wir landeten zunächst in Werchenudinsk [heute: Ulan Ude], von wo die Fahrt per Schiff weiter gehen sollte nach dem Gefangenenlager Troizkossawsk an der chinesischen Grenze. Da wir bereits Ende Oktober schreiben + die Selenka [Selenga] schon starken Eisgang hatte, war es in Frage gestellt, ob die Fahrt noch vor  sich gehen konnte. Es wurde schon in Erwägung gezogen, ob die 250 km lange Strecke nicht zu Fuß zurückgelegt werden könnte, was allerdings keine Freude hervorrief. Schließlich wurde doch noch ein Schiff klar gemacht + wir wurden wie Stückgut verstaut. In normalen Zeiten dauert die Fahrt 24 Stunden. Es sollte für uns aber keine angenehme Fahrt werden, denn sie dauerte 8 Tage + der kurzsichtige Russe hatte uns Verpflegung für 2 Tage mit, sodaß wir eine elende Hungersfahrt machten. Der Lagerkommandant von Troizkossawask, der von unserer Ankunft in Kenntnis gesetzt war + durch unser langes Ausbleiben beunruhigt, war doch etwas weitsichtiger, als unser Transportführer, der sich lieber gut um uns gekümmert hatte, und so kam uns dann auf halber Fahrt ein Kahn mit Brod entgegen, was für uns unsere Rettung bedeutete. Unser Kantinenwirt, der aus unserer Notlage Nutzen ziehen wollte, versuchte schon bevor der Kahn am Schiff angelegt hatte, das Brod dem Russen, welcher es brachte, abzukaufen, um es für teures Geld an uns wieder zu verkaufen, was ihm auch bald gelungen wäre, da der Russe nicht wußte mit wem er es zu tun hatte + glaubte den Transportführer vor sich zu haben. Durch unsere drohende Haltung ließ jedoch der Kantinenwirt von seinem Geschäft ab. Jetzt hatte wenigstens jeder etwas Brod um seinen Hunger zu stillen. Aber die Fahrt war noch nicht zu Ende. Nachdem sich das Schiff mehrmals am Grunde festgefahren hatte + wir mit helfen mussten, es wieder flott zu machen, mußten wir 25 km vor dem Ziel das Schiff verlassen, da es wieder fest saß + wir waren gezwungen den Rest zu Fuß zurück zu legen. Da die meisten durch den Hunger entkräftet waren, war es kein leichter Marsch + so kam es auch, daß viele unterwegs schlapp machten + liegen blieben. Gegen Abend kam dann der Rest, der noch auf Beinen war auf der Endstation Us-Kijachta [Ust‘-Kyakhta] an. Hier konnten wir uns wieder richtig satt essen + auch ausschlafen. Bis zum Lager hatten wir nun noch 25 km. Am andern Morgen, nachdem jeder ausgeschlafen hatte, machten wir bei guter Laune auf den Weg. Es war prachtvolles Wetter + so machte der Marsch einem jeden Spass. Gegen Abend langten wir erst im Lager an, da wir uns gehörig Zeit nahmen, denn als Gefangener hat man ja nichts zu versäumen. Wir bekamen auch am Abend warmes Essen + schliefen dann ruhig bis zum andern Morgen. Am Morgen bekamen wir frische Wäsche, da unsere voll war von kleinen Tierchen + [?] Maden, sodaß wir uns wieder als Mensch fühlten. Hier verbrachten wir den Winter bei guter Laune. Mit Arbeit wurden wir nicht belästigt. Nur alle 4 Wochen kam man mal dran mit Wasserfahren für unsere Küche oder etwas Holz holen, was wir sehr gern taten, da man bei dieser Gelegenheit mal aus dem Lager raus kam + andere Menschen sah, als den mit der Picke auf den Wachttürmen stehenden russischen Wach[?]. Der Winter war ja für uns was Neues, denn eine Kälte von 430 hatte noch keiner kennen gelernt. Für Abwechslung war hier in Troitzkosswask gesorgt. Der Lagerkommandant hatte entgegenkommender Weise gestattet, ein Theater zu errichten + so hatten sich dann eine deutsch + ungarische Theater-Gesellschaft gebildet, die für die nötige Unterhaltung sorgten. Außerdem sorgten 2 Musikkapellen für Zerstreuung + dann hatte man Gelegenheit 12 Sprachen zu lernen. Lange Weile war also nicht. Des Abends täglich wurde die Zeitung vorgelesen, sodaß wir auch stets unterrichtet waren, was in der Welt vorging. An Weihnachten 1916 war alles in froher Stimmung, als man von dem Friedensangebot hörte, aber unsere Hoffnungen sollten bald zu nichte gemacht werden, da das Friedensangebot seitens Deutschlands kein Gehör fand. Wieder war man auf unbestimmte Zeit den Russen preisgegeben. Der Winter verging + der Frühling ging ins Land. Jetzt zog es jeden heraus aus der Baracke. Wir standen am Zaun + beobachteten das Leben + Treiben auf der Straße, das sehr abwechslungsreich war, da Troitzkossawsk an der Karavanenstraße, die durch die Wüste Gobi nach Urga [heute: Ulaanbaatar] führt. Ferner wurde Sport getrieben, Fußball usw. So verging ein Tag nach dem andern, ohne das man wußte, wie lange man noch in der Hand der Russen bleiben sollte. Eines Tages ging die Nachricht durch das Lager, das es geräumt werden solle + alles muß auf Arbeit. Dies behagte uns nicht, hatte sich doch jeder eingelebt + fühlte sich den Verhältnissen nach wohl. Zum Arbeiten, das war eine bittere Nuß. Vorläufig blieb ja alles noch beim alten aber es kam doch der Tag, wo wir unser schönes Troitzkossawsk verlassen mußten. An einem schönen Maienmorgen setzte sich das Zug von 180 deutschen Kriegsgefangenen, darunter 20 Offiziere, in Bewegung. Unser Gepäck  wurde auf Wagen, die uns der Russe netter Weise gestellt hatte gefahren, sodaß wir leichtes Marschieren + entgegen ging es der Dampferstation Us-Kijachta [Ust‘-Kyakhta], die wir bereits bei unser Herfahrt kennen gelernt hatten. Diesmal waren wir anderer Laune, als damals. Bei wunderbar schönem Maienwetter ging die Verschiffung vor sich. Beim Morgengrauen verließen wir den Hafen, diesmal mit reichlicher Nahrung versehen. Es war eine schöne Fahrt. Öfter mußte der Dampfer vor Anker gehen um Holz einzunehmen, was wir dazu benutzten, um an den Dampfer Anlegestellen einzukaufen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch von unserm Gesangverein deutsche Lieder vorgetragen, was die Russen in Erstaunen setzte. Ja noch mehr erdreisteten wir uns. Die Offiziere hielten Ansprachen + sogar ein Hoch auf den Kaiser wurde ausgebracht, über was die Russen sprachlos waren, denn sie wagten keinen Ton zu sagen, obwohl sie das Hurra gut verstanden. Bei Ankunft des Dampfers an unserem Ziel war es noch Nacht und konnten wir ruhig bis zum Morgen ausschlafen. Nachdem wir Tee getrunken hatten wurden wir vom Schiff abtransportiert + es ging zu Fuß nach dem ca. 40-50000 Mann fassenden Lager Beresowka, wovon wir nicht sehr erbaut waren, denn je größer das Lager desto schlechter ist es. Hier hatten wir insofern Glück, als wir in eine neue noch nie belegt gewesene Baracke kamen, sodaß wir wenigstens mit Wanzen usw, wovon es in B. genug gab verschont blieben. Hier in Beresowka war der Aufenthalt bei weiten nicht so angenehm als in Troitzkossawsk. Für Unterhaltung war allerdings auch gut gesorgt, Fußballklubs, Leichtathleten, Gesangverein gab es genug aber das Essen war nicht gut + zu knapp. So kam es auch, daß wir froh waren, als wir nach 4 Wochen auf Arbeit geschickt wurden. Hatte ich doch noch nichts kennen gelernt, in Bezug auf Arbeit + so ging ich dann auch zuversichtlich hinaus. Vorher waren wir erst noch mit allen möglichen Sachen ausgerüstet + nun ging es vom Osten Sibiriens nach dem Westen. Zuerst machten wir wieder die schöne Fahrt am Baikalsee vorbei + verließen nach 6 Tagen die Hauptstrecke, um nach der Kirgisen-Steppe zu gelangen. Nachdem wir noch eine Strecke gefahren waren, wurden wir ausgeladen + vorläufig in einer Scheune untergebracht, da sich bisher [keine] um uns beworben hatten. So waren wir vollständig aus uns angewiesen. Kein Mensch bekümmerte sich mehr um uns, wir beköstigten uns selbst und trieben was wir Lust hatten. Selbstverständlich wurde das ganze Dorf ausgestöbert, da wir die Freiheit, die wir zum ersten Male genossen in vollen Zügen warnehmen [sic!] mußten. Manche waren allerdings etwas zu dreist geworden + hatten bei einem kleinen Mädel des Nachts logiert, was bei den dummen Panjes natürlich Wut erregte, da die Mädels lieber mit einem schneidigen Gefangenen, als einem dreckigen Russen gingen. Einige hatten auch schon einen Fluß aufgestöbert + so lagen wir dann an den nächsten Tagen dauernd im Wasser. War es doch hier für uns etwas Neues. Das reinste Familienbad. Groß + klein, jung + alt, alles im Adams-Kostüm tummelte sich im Wasser. Das war ja so nach unserem Geschmack, hatten wir doch in einem derartigen Kostüm lange keine kleinen Mädels gesehen. Aber nur 2 Tage sollten wir das Vergnügen haben. Am 3. Tage kam so ein Seelenverkäufer an +wir wurden verschachert. 30 Deutsche waren wir die auf 3 nebeneinanderengende Dörfer verteilt wurden. 50 km hatten wir noch von der Eisenbahnstation zu fahren bis wir in unser Dorf waren. Bei unserer Ankunft war kein Mensch zu sehen, dachten doch die Russen, der Teufel in Menschengestalt kommt. Nach und nach wurden die Leute doch dreister + so waren wir dann bald umringt von einem Haufen Menschen die alle bei uns die Hörner sagten. Glaubten doch die Russen, die deutschen haben Hörner. Wir wurden in der Schule einquartiert + von hier aus sollten uns die Bauern abholen. Es kamen auch Bauern aber wir wiesen jeden ab, da wir noch Geld hatten + vorläufig noch keine Lust verspürten zum Arbeiten. Die Bauern gerieten schon in Wut + wollten uns zu Leibe gehen, aber sie wagten uns doch nicht zu schlagen, hatten sie doch Bange, wir könnten mit dem Teufel in Verbindung stehen. Endlich entschlossen wir uns doch zu arbeiten + so ließ sich einer nach dem andern anheuern. Ich hatte auch das Glück von einem alten verlausten Panje abgeholt zu werden. Aber der alte hatte kein Glück mit mir. Am ersten Tag fuhren wir Lehm. Als ich das Pferd anspannen sollte, stellte ich mich dann riesig dumm, sodaß sich der alte genötigt sah, seinen Gaul selbst anzuspannen. Dann fuhren wir los. Dies ging ja so halbwegs, ich zeigte aber wenig Lust zum Arbeiten. Am Abend gab es dann Abendbrod, bei dem sich der alte Russe, der übrigens so dreckig war, als ob er sich zu Weihnachten das letzte Mal gewaschen hatte, so anständig benahm, das wir schon vorher der Appetit verging. Dann gingen wir schlafen. Die Bäuerin, ein vielleicht 16jähriges Mädel und ich in einem Zimmer. Ja das kann ja heiter werden, dachte ich. Aber die Nacht verlief äußerst ruhig. Am andern Morgen brachte mich dann der Bauer wieder nach unsern Haupt-Quartier, da einige in das nächste Dorf sollten. Kurz darauf trafen dann auch die Nachbar-Bauern ein. Ein par Frauen kamen und wir gingen mit. Dachten doch die dummen Weiber, weil wir noch jung waren, wir konnten tüchtig arbeiten + ließen uns kommandieren, aber sie hatten sich in uns verkuckt. Mittags, es war an einem Sonnabend, langten wir an unserer neuen Wirkungsstätte an, bestaunt vom ganzen Dorf, in dem wir die ersten Gefangenen waren. Nachdem wir zu erst gegessen hatten + dann gebadet, war unser erstes Tagewerk vollbracht. Das russische Bad ist übrigens was sehenswertes. Man stelle sich eine Art Räucherkammer vor, die von oben bis unten schwarz geräuchert ist, sodaß man schwarz ist, wenn man anstößt. Dann ist ein Kessel eingemauert + ein Herd, auf dem eine Art Scheiterhaufen von Steinen errichtet ist. Diese Steine werden mit erhitzt + dann mit Wasser begoßen, was Wasserdampf erzeugt. Nachdem genügend Wasserdampf erzeugt ist + man an Schweiß trieft, peitschen sich die Russen mit einer Rute, von Birkenreisig, welche in kaltes Wasser getaucht wird. In der eben beschriebenen Art peitschen sich die Russen bis zur Erschöpfung. Wir machten allerdings diesen Zauber nicht mit.

Als der Abend herein gebrochen war, ging es schlafen. Alles in einer Bude. Nebenher bemerkt hatten meine Wirtsleute nur 1 Zimmer zur Verfügung. Die Russenfamilie breitete sich einen alten Pelz aus + mit einem anderen deckte sie sich zu + zwar an der Erde. Ich war dann als Gefangener doch besser ausgestattet. Besaß ich doch einen chenischen [sic!] Waffenmantel, welcher mir als Unterlage diente + eine Steppweste zum zudecken. Wir wurde (bald) nobler Weise eine alte Pritsche, welche in der Ecke stand, angeboten, ich sollte aber bald merken [?]. Denn kaum war ich eingeschlafen, da wurde ich von Wanzen förmlich gestürmt. Ich nahm natürlich schnell meine Sachen + legte mich ebenfalls wie meine noble Wirtin auf den Fußboden. Hier blieb ich dann für den weiteren Teil der Nacht von Wanzen-Angriffen verschont. Der andere Tag war Sonntag + da wir lange schlafen gewöhnt waren, schlief ich erst ordentlich aus. Als ich aufgestanden war frug mich der alte Russe, ob es mich gebissen hatte, obwohl die alte Hexe wuste, dass die Pritsche voll Wanzen war. Am Sonntag wurde nur gegessen + kein Handschlag angefaßt, denn wir hatten den Russen gleich gesagt, des Sonntags machen wir nichts + waren sie damit auch einverstanden. Nachmittags gingen wir im Dorf spazieren + ließen uns von den dummen Russen begaffen, denn sie hatten alle noch keinen Gefangenen gesehen + stellten sich darunter ganz war besonderes vor. So ging die Zeit nun weiter. In den ersten 14 Tagen beschäftigte ich mich mit Holzhacken, bei dem ich mich tot machte. Um 8 Uhr wurde aufgestanden + um 6 Uhr abends Schluß. Nach 14 Tagen ging das Heumachen los. Eine Karona [sic!] von 20-30 Mann, Männer + Frauen zogen mit Sensen + Mähmaschinen hinaus + mähten gemeinsam. Die Männer griffen zur Sense + wurde von uns natürlich ebenfalls eine solche in die Hand gedrückt. Natürlich klappte der Laden nicht. Die Russen, die neben uns standen, hatten Angst, das wir ihnen die Beine weg hauten, denn wir hieben mächtig um uns, aber das Gras blieb zum größten Teil stehen. Als sie dann einsahen, das in dieser Beziehung mit uns nichts zu machen war, wurden wir zu Mähmaschinen weggeschickt, wo wir das Gras vom Messer weg harkten. Das konnten wir ja. In einem Tage war also gemäht + blieb es dann so liegen, bis es trocken war. Dann wurden Haufen gemacht + eingefahren. So ver[ging] nun die Zeit bis zur Getreide Ernte. Es wurde alles gemäht, was uns gut gefiel, denn den ganzen Tag auf der Mähmaschine sitzen, läßt sich schon aushalten. Dann wurde es auf Haufen gemacht, nicht wie bei uns in Garben gebunden + dann zusammen gefahren auf die Diemen. Als dies alles fertig war, ging es ans Dreschen. Dreschmaschinen haben die kleinen Bauern in Rußland nicht, sondern sie dreschen sich alles selbst auf Tennen. Als[o] wurde ein Kreis von 15 m im Durchmesser vom Grase befreit hatten, wurde uns einen vollen Tag im Kreise umgefahren, damit die Tenne hart ward. Wenn nun alles soweit fertig ist, wird das Getreide ungefähr 1 m hoch auf der Tenne ausgebracht + dann werden Pferde daraufgetrieben, die das Korn austreten müssen. Nachdem es nun 3 bis 4 mal von Stroh befreit ist + die Pferde zwischendurch gelaufen sind, wird es gesiebt + das Korn aufgefangen. Nach Beendigung des Dreschens fühlten wir auch unsere Tätigkeit zu Ende, aber die Russen machten keine Anstalten, uns ins Lager zurückzubringen. Nachdem wir uns nun mit unseren Kameraden im Nachbardorf verständigt hatten wurde am 1. Oktober 1917 geschloßen vor das Komitee, dasselbe wie bei uns Arbeiter- + Soldatenrat, gerückt + der Generalstreik proklamiert. Das erregte die Wut der Russen. Es wurde Polizei herangezogen, die mit Revolver + Säbel drohten + alles mögliche erzählten, wir müßten arbeiten oder kamen ins Straflager. Einige drohten sogar mit Erschießen. Aber wir hielten unseren Beschluß aufrecht + erklärten ihnen, lieber tot, als noch einen Handschlag für 13 K. pro Tag machen. Sie versprachen uns dann Zulage, aber wir bestanden darauf, es ist der 1. Oktober + wir wollen ins Lager zurück. So kam es dann, das wir 20 Mann am Abend in Arrest kamen, wo sie uns mit Hunger kriegen wollten. Aber der alte Gefängniswärter ließ sich für 15 K. die Beine weg + kaufte, was wir verlangten, sodaß unser Arrestlokal bald ein fideles Gefängnis wurde. 14 Tage waren nun schon vergangen ohne das sich die Bauern bequemten uns wegzubringen. Nachdem uns nun nochmal mit Strafe gedroht worden war, wir aber dazu lachten, brachten uns die Russen dann auch weg. Wagen zum Gepäckfahren bezahlten wir selbst + so machten wir uns zu Fuß auf den Weg nach dem 75 km entfernt liegenden Lager Semipalatinsk. Ein Begleiter wurde uns mit gegeben + ein Brief an den Lagerkommandanten, daß wir die Arbeit verweigert hätten + zu bestrafen seien. Nach 3 Tagemärschen kamen wir an unsern Bestimmungsort an + hatten ein kollossales Glück, da der Lagerkommandant verreist war + sein Vertreter schickte uns schon wieder hinter der Bretterplanke umgeben von Bajonetten. In Semipalatinsk war es nicht mehr Mode, die Gefangenen zu beachten. Wir kamen im Lager an + meldeten uns bei dem Russen, welcher die Aufsicht hatte + wollten Platz haben. Dier erklärte uns, wir sollten sehen, wo wir unterkommen, Platz hätte er nicht. Die Baracken in der übereinanderliegende Pritschen standen waren nicht mehr bewohnbar + so bauten wir uns dann einen Küchenvorraum von einer Baracke zu unserm Winteraufenthalt aus. Es wurde tapeziert + alles wohnlich eingerichtet + so verbrachten wir dann den Winter hier in aller Ruhe. Die Stimmung war zuversichtlich, da Friedensverhandlungen mit Rußland im Gange waren. Die Beköstigung war tadellos, da täglich zu der Russenkost ein Zuschuß vom Schwedischen Roten Kreuz kam. Arbeit war keine vorhanden + so bestand unsere Beschäftigung in Schlafen, Essen + Spazierengehen. In vielen Städten Rußlands hatte sich unter den Gefangenen der bolschewistische Geist ausgebreitet + so bestanden auch hier im Lager 2 Parteien, nämlich Bolschewisten + Kaisertreue sodaß natürlich stets Zank + Streit war. Über Winter, als nur etwa 200 Mann im Lager waren war alles ruhig gewesen, aber als im Frühjahr gleich ein Transport von 1000 Mann hinzukam, meistens Ungarn, ging die Spaltung unter den Gefangenen los. Die Bolschewisten nahmen zuerst die von den Offizieren verwalteten Unterstützungskassen ab + verteilten das Geld. Damit hörte dann das gute Essen auf. Es wurde ein Kriegsgefangenen-Büro eingerichtet + alle Angelegenheiten der Kriegs-Gefangenen wurden durch dieses erledigt. Dadurch wurden selbstverständlich die Interessen derjenigen Gefangenen, die sich nicht zum Bolschewismus bekannte, geschädigt. Die Bolschewicken versuchten auch die Lagerverwaltung in ihre Hände zu bekommen und uns durch Hunger zu zwingen, auch in ihr Lager überzuschwenken. So wurde gehegt + gehegt + Ruhe gab es nie wieder. Daher wurde in uns der Plan zur Flucht reif um so mehr, da es den Bolschewicken nach + nach gelungen war, sich noch beim Russen Gunst zu verschaffen + uns als Gegenrevolutionäre anzuschwärzen, weil wir nicht mit ihnen mitmachen wollten. Es kam der 1. Mai 18 + wurde der Tag ganz besonders von den Bolschewicken gefeiert, u.a. wurde auch am Lager Eingang eine rote Fahne gehißt, obwohl in unserm Lager nur wenige Bolschwicken wohnten. Um Reibereien zu vermeiden ließen wir die Fahne ruhig wehen. Es vergingen noch einige Tage + die Fahne wehte immer noch. Schon fühlten sich die Herren Verbrecher in ihrer Macht gehoben, da wir ihnen nicht anhaben konnten, daß die Fahne nun immer wehte + das ganze Lager als Bolschewicken-Lager angesehen wurde. Darüber ärgerte sich das ganze Lager, aber keiner mochte die Fahne abnehmen. Am 5. Mai saßen wieder einige Reichsdeutsche vor dem Tore u.a. ein junger Ostpreuße, welcher mit in unserem Zimmer lag + unterhielten sich über die Fahne. Im Laufe des Gesprächs holte nun der Ostpreuße die Fahne herunter + brachte sie in das Zimmer der Bolschewicken-Führer, welche in unserem Lager wohnten + erklärte ihnen, daß der 1. Mai vorbei ist + die Lagermehrheit nicht dafür ist, daß die rote Fahne weiter am Lagereingange verbleibt. Dadurch wurde die Wut der Bolschewicken erregt + eine halbe Stunde später waren 10 Mann mit aufgepflanzten Seitengewehr da + verhafteten den Ostpreußen aus unserem Zimmer heraus: Im Namen der russischen Rats-Republik, weil er sich an einer russischen Regierungs-Fahne vergriffen hat. Nebenbei bemerkt war die Fahne ein rotes Taschentuch, von welchem die Katen abgerissen waren. Der junge wurde eingebuchtet ohne daß der Russe davon etwas wuste. Die ganze Sache war von der Kriegsgefangenen roten Garde in Czene [Szene] gesetzt. Am andern Tage, als der Gefängniswärter den jungen Ostpreußen vernahm + kein Haftbefehl vorlag wurde er wieder entlassen. dadurch wurde der Bolschewickenführer in unserm Lager natürlich noch mehr gereizt + es gelang dann auch einen Haftbefehl gegen den bereits wieder entlassenen zu erwirken + am andern Tage wurde er von russischen Roten Gardisten zum zweiten Male verhaftet. Nach 8 Tagen wurde er aber wieder entlassen, da der Russen-Kommandant erklärt, er will mit dieser Sache nichts zu tun habe[n]. Ruhe gab es keine wieder. Dauernd wurden wir belästigt. Den Unteroffizieren wurden die Tressen abgerissen vor [Wort fehlt]. Wir gingen nun fleißig ans Werk um Geld zur Flucht zusammen zu schachern. Unsere Spezialität war jetzt, alte Nägel zu verkaufen. Aus Unsinn hatte ich mal Nägel gesammelt + einem Eisenhändler auf dem Markte angeboten + ich bekam für das Pfund 1.20 Rubel. Nun ging es aber mit Volldampf ans Werk. Die Baracken wurden eingerissen die Nägel gesammelt + verkauft. So hatten wir nahezu 5 Ctr. Nägel gesammelt + hatten ein schönes Stück Geld verdient. Nun wurde unser Fluchtplan weitergeschmiedet. Nachdem wir unsere Uniform + alles war wir hatten, zu Geld gemacht hatten, machten wir uns in russischer Kleidung auf den Weg. Auf der Eisenbahn, die von Gefangenen Rotgardisten bewacht war kam man nicht durch. Es bestand noch die Möglichkeit per Schiff zu fahren, aber darzu waren Papiere nötig + die hatten wir nicht. Wir entschlossen uns daher, den Weg bis zur nächsten Dampferstation zu Fuß zu machen.. Nach unseren Informationen sollten die Station 30 km entfernt sein. Am 2. Pfingstfeiertage machten wir uns bei stürmenden Regen, was wir uns sehr war, da wir dadurch nicht von Patrouillen, die die Umgebung der Stadt durchstreiften, zu befürchten hatten, auf den Weg. Unser Gepäck was nur aus einem 10 Pfund Brod bestand brachten uns unsere Freunde, die immer Angeln gingen + dadurch nicht auffielen, wenn sie mit einem Paket gesehen wurden, an eine verabredete Stelle vor der Stadt. Programmmäßig trafen wir an der Stelle zusammen + nachdem wir uns von einander verabschiedet hatten gingen wir, ein Bremer, ein Hallenser + ich in die Welt hinaus nicht ahnend, daß wir in kaum 14 Tagen bereits in deutsche Hände sein sollten. Wir gingen zunächst am Fluß entlang bis zum Abend, wo wir ein kleines Kosakendorf passierten, in dem wir erst bei einem Kosaken Abendbrod aßen. Der Kosak zeigte uns den Weg + wir gingen bis zur bezeichneten Stelle. Hier angelangt, war es mittlerweile Dunkel geworden. Jedoch mußten wir erfahren, daß wir nicht an einer Dampfer-Station waren, sondern an einem Wallfahrtsort. Hier hielt zwar der Dampfer, aber nur auf Anruf, um die Pilger mitzunehmen. Da wir die einzigen waren, schien uns die Sache auch zu bedenklich um hier den Dampfer anzurufen. Wir entschlossen uns daher bis zur nächsten Anlegestelle zu laufen + hier den Dampfer zu besteigen. Der gegen 2 Uhr nachmittags eintreffen sollte. Wir legten uns schlafen + gegen 4 Uhr morgens brachen wir auf. Wir schritten mächtig aus, hatten wir doch 25 km vor uns. gegen 8 Uhr langten wir an der Stelle an, welche uns als Anlegestelle beschrieben war. Zu unserm größten Erstaunen mußten wir hier erfahren, daß hier zwar ein Nothafen, aber keine fahrplanmäßige Anlegestelle sei. Die nächste Station war noch 30-35 km entfernt. Jetzt standen uns doch die Haare zu Berge. 25 km hatten wir hinter uns + nun noch 30 km in 4 Stunden schaffen, schien uns doch unmöglich. Das war der erste unvorhergesehene Zwischenfall. Wir fanden jedoch Rat. Auf die Gefahr hin, erkannt zu werden + der Verhaftung entgegen zu gehen gingen wir ins nächste Dorf + frugen in jedem Hause, wer uns zur Dampferstation fahren wollte. Geld hatte uns doch unser Nägelhandel eingebracht + gekostet hatte es uns bisher noch nichts, also konnten wir auch mal per Wagen fahren. Wir fanden auch endlich einen, der fahren wollte, aber die Strecke wurde immer länger. Hier mußten wir hören daß es 45 km waren. Wir wurden auch über den Preis einig. Das km kostete 1.- Rubel. Nachdem wir uns vorher gestärkt hatten, ging die Fahrt los. 45 km im Galopp. Nachmittags langten wir auf der Dampferstation an. Die 45 km hatte der Kutscher in 4 Stunden zurückgelegt. Zum Glück war der Dampfer noch nicht da. Nach unseren Informationen sollte die Dampfstation von unserem Ausgangsort 35 km entfernt sein, es waren aber 85 km daraus geworden, aber wir hatten es geschafft + waren bereits der Heimat näher, obwohl und nur noch 4000 km davon trennten. Auf der Dampferstation sollten wir zum zweiten Male in Druck kommen, denn der Dampfer war bis zum Abend nicht da. Wir sahen uns deshalb nach Nachtquartier um, daß wir auch bald fanden. Wir hatten bereits unser Nachtlager hergerichtet, als wir die Sirene des Dampfers in der Ferne vernahmen. Freudestahlend nahmen wir unser Päckchen + gingen zur Anlegestelle + richtig der Dampfer kam. Wir waren die einzigen Passagiere, die einstiegen, aber fielen nicht auf, da es bereits Nacht geworden war. Nachdem wir aufgestiegen waren warteten wir bis zur Abfahrt + lösten uns dann ein Billet, was wir auch ohne weiteres bekamen. Wir legten uns nun wohlgemut schlafen + schliefen bis die Sonne hoch am Himmel war. Nach 4 Tagen Fahrt, die ohne Zwischenfälle verlief, langten wir an einem schönen Sonntagmorgen in Omsk an. Von hier sollte die Fahrt per Bahn nach Petersburg weitergehen. Vor dem Verlassen des Dampfers sollten wir zum 3. Male in Druck kommen. Es erschien eine Wache von roten Gardisten + kontrollierte. Zum Glück wurde nicht nach Papieren revidiert, denn wir hatten auch keine, sondern nur nach Lebensmitteln + die hatten wir nicht. So waren wir nun in Omsk. Hier wollten wir uns Papiere beschaffen + dann weiterfahren nach Petersburg. Wir sprachen zunächst beim Schweizerischen Konsulat vor, daß uns zu einem deutschen Hilfsbüro schickte, welches die Kaufrolle über die Zivilgefangenen hatte. Hier bekamen wir auch Papiere, welche nur noch vom Russen abgestempelt werden mußten, was am Montag früh vor sich gehen sollte. Am Sonntag Nachmittag kam es nun in Omsk zu einem unliebsamen Zwischenfall, der bald unsere ganze Flucht zum Scheitern gebracht hätte. Es kam nämlich ein Transportzug mit bewaffneten Tschechen an, die als Konterrevolutionäre bekannt waren, welche nach Irkutsk wollten um sich hier gegen die Russischen roten Gardisten zu ziehen. Die Tschechen zogen sich allerdings zurück aber die Russen hatten ihr Ziel noch nicht erreicht + hatten erhebliche Verluste. Sofort wurde der Belagerungszustand über Omsk verhängt + so saßen wir nun fest, denn es kam kein Zug mehr an + ging auch keiner ab, da die Bahnlinie von den Tschechen bedroht war + öfter Züge beschossen wurden. So saßen wir nun bis Donnerstag, ohne daß sich was ereignete. Am Donnerstag sollte ein Zug abgehen in Richtung Petersburg. Es gelang uns auch ein Billet zu bekommen ohne Reisepass + so kamen wir glücklich aus Omsk raus. Auf der Fahrt trafen wir mit einem Deutschen Regierungsbeamten zusammen, der 2 Reisepässe bei sich hatte + uns dieselben gab. Wir waren aber drei Mann + keiner wollte + sollte zurück bleiben, da wir nun bereits soweit gekommen waren. Wir kamen dann auch auf einen glücklichen Einfall. Wir hatten einen Paß in dem ein Alter von 40 Jahren + einen Paß mit einem Alter von 30 Jahren vermerkt war. Dies passte für unsere beiden Reisegefährten. Es fehlte nur noch ein Paß für mich. Wir kamen deshalb dahin überein, den Paß mit 40 Jahren zu fälschen + schrieben hinter den Namen einfach: „Und Sohn“ sodaß jetzt der Paß auf Vater + Sohn lautete. Nun fuhren wir siegesbewußt darauflos. Hatten wir doch jetzt Reisepässe + konnte uns kein Mensch was anhaben. Auch der europaisch-asiatischen Grenze wurden die Reisepässe kontrolliert. Jetzt zeigten wir aber nicht den gefälschten Pässe [sic!] vor, sondern die ohne Stempel aus Omsk + da es Nacht war fiel es auch nicht auf, daß der Stempel fehlte, + so kamen wir dann ungehindert weiter bis Petersburg. Die Fahrt von Omsk bis Petersburg 3000 km 3 Tage + 3 Nächte hatten wir allerdings auf der Plattform gemacht, aber wir waren in Petersburg + bedeutend der deutschen Grenze näher gerückt. In Petersburg, was wir uns erstmal ordentlich ansahen meldeten wir uns bei der Austauschkommission für Zivilgefangene + 2 Tage später wurden wir als Zivilgefangene ausgetauscht. In einem Lazarettzug, welcher vorher mit reiner Bettwäsche versehen war, fuhren wir der deutschen Grenze entgegen, unserer armen Kameraden gedenkend, die heute noch in Sibirien schmachten + über deren Schicksal keiner Auskunft geben kann.

In Pleskau wurden wir von den deutschen Behörden übernommen + nachdem ich 14 Tage im Quarantänelager Zegrze Nord b/ Warschau verbracht hatte, ging es der Heimat entgegen um einen 8 wöchentlichen Urlaub zu verleben, um dann wieder gestärkt, wie sich der deutsche General in Pleskau ausdrückte, an die französische Front zu gehen.

Staßfurt, den 1. Oktober 1919

Carl Hickethier

Dieser Beitrag wurde unter 1. Weltkrieg veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert